Wer Boeses saet
einzigen Gefährtinnen.
Julia schien seine Irritation nicht bemerkt zu haben.
»Auf die Art hat sie die Männer bestimmt bald an der Angel. Dann schlägt sie ihnen ein Treffen vor. In einem Café, einer Bar, einem Restaurant … Die erste Begegnung findet immer an einem öffentlichen Ort statt. Und da lässt sie dann die Katze aus dem Sack.«
Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu:
»Ich nehme an, jeder zweite Mann reibt sich die Hände. So eine kleine Body-to-Body-Massage mit einer jungen Frau, das ist doch was. Selbst wenn es ein paar Euros kosten sollte.«
Ihre Ausführungen klangen irgendwie ein wenig verbittert. Trat hier das Temperament einer Wachhündin zutage, oder waren es die Narben einer alten Blessur? François versuchte, sich von solchen Fragen nicht ablenken zu lassen, und konzentrierte sich auf das, was anstand.
»Na gut. Und was machen wir jetzt?«
Sie hatte mit der Maus schon den Icon »Kontakte« angeklickt.
Eine Liste erschien, alles ebenso schwachsinnige wie zusammenhanglose Pseudonyme: »judokaa6«, »lorenzok«, »zarabi«, »aragorn« … mindestens hundert potenzielle Fährten.
Julia klickte nach dem Zufallsprinzip einen Namen an. Eine Seite wurde geladen. Es war die eines Kandidaten namens »nonor«. Siebenunddreißig Jahre, sympathisches Gesicht, runde Intellektuellenbrille. Wohnhaft in: Cazan, Bouches-du Rhône, Letzte Verbindung: 12. November 2008.
»Was halten Sie von dem?«, fragte sie mit einem halben Lächeln. »Der sieht wahrlich nicht wie ein Killer aus.«
François antwortete nicht. Er hatte immer stärker den Eindruck, dass sie in einem Wald aus lauter Ködern im Kreise liefen. Niemand auf dieser Website spielte mit offenen Karten. Weder die Gesichter noch die Namen oder die Ortsnamen wurden durch irgendwas bestätigt.
»Wir verlieren unsere Zeit. Selbst wenn er darunter ist, werden wir ihn so nicht finden.«
Julia sah sich weiter die Profile an. Ohne auch nur innezuhalten, erwiderte sie:
»Ich suche ihn nicht.«
»Was machen Sie dann?«
Sie hob den Kopf und lehnte sich im Stuhl zurück.
»Falls der Mörder sie übers Internet in die Falle gelockt hat, hat er selbstverständlich keine richtigen Angaben zu seiner Person gemacht, und das Foto ist auch gefälscht. Und die IP-Adresse bringt dich da auch nicht weiter, der ist garantiert in ein Internetcafé gegangen.«
Darin stimmte ihr der Profiler zu. Er fragte sich, worauf sie hinauswollte, und ließ sie weitermachen.
»Trotzdem muss er sich ja zu irgendeinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben haben. Spätestens am Tag ihrer Begegnung. Und wie ich Ihnen schon gesagt hatte, die ungeschriebene Regel lautet, dass dieses virtuelle Spielchen an einem öffentlichen Ort stattfindet. Sollte sie unseren Mann getroffen haben, wird sich vielleicht auch jemand an ihn erinnern.«
Diesmal widersprach ihr der Kommissar:
»Da sind Sie auf dem Holzweg.«
»Warum?«
»Wegen des Fotos. Bei ihrer Begegnung hätte sie gemerkt, dass sie von Anfang an getäuscht wurde. Sie wäre misstrauisch geworden.«
Amüsiertes Lächeln.
»Das Foto ist nicht das Problem. Das sind die Internet-benutzer gewohnt. Sie wissen, dass man sich im Netz auf alles gefasst machen muss. Zum Beweis … Die Typen konnten nicht wissen, dass Lucie ihnen Massagen verkaufen wollte.«
Marchand gehörte wirklich völlig zum alten Eisen. Die Mitspieler in dieser Farce akzeptierten es, dass das Spiel gefälscht war. Sie warteten, bis sie es nach Aktenlage beurteilen konnten. Letztlich hatte das Internet nur einen Zweck: die Grenze sprengen, die eine auf dem Individualismus beruhende Gesellschaft geschaffen hatte. Sobald der Kontakt hergestellt war, gewann das Verführungsspiel wieder die Oberhand. Und zog den ganzen Rattenschwanz von Lügen hinter sich her …
Er ließ ihre Erklärung gelten.
»Stimmt. Und wie finden wir heraus, wo sie sich getroffen haben?«
»Indem wir uns ihre Chats anschauen. Wenn es so ist, wie ich es mir vorstelle, hat sie dort ihre Treffen vereinbart.«
»Falls es sich überhaupt immer um den gleichen Ort gehandelt hat.«
»Haben Sie eine bessere Idee?«
Die junge Frau machte sich ans Werk. Sie ging die ganze Liste der Kandidaten durch und suchte sich diejenigen aus, deren elektronische Unterhaltung vom Opfer gespeichert worden war. François musste an die klassischen Telefonabhörmethoden denken und sagte sich mit leiser Wehmut, dass diese schon bald überholt sein würden.
Nachdem Julia zwanzig Minuten lang herumprobiert hatte, hatte sie
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