Wer Boeses saet
durch eine Weihnachtskrippe.
Julia kannte den Ort wie ihre Westentasche. Die Gebietshoheit der Kripo Avignon erstreckte sich bis Châteaurenard. Sie hatte dort schon oft Einsätze gehabt: Drogenhandel, Einbrüche, schwerer Diebstahl. Auch in dieser Enklave am Ende der Welt stieg die Verbrechensrate sprunghaft an.
Die junge Frau lotste sie durch Einbahnstraßen und über frisch renovierte Kreisverkehranlagen, bis sie sicher am Ziel ankamen. Eine etwas breitere Avenue mit einer großen, von Brüstungen aus schwarzer Bronze geschützten Fußgängerzone.
Das Café Carnot, das nach der Straße benannt war, an der es sich befand, lag gegenüber dem Gebäude der städtischen Polizei. Keine Parkmöglichkeiten. Kein Parkhaus weit und breit. François ließ den Touareg in zweiter Reihe hinter einem Streifenwagen stehen. Um nicht den Zorn der diensthabenden Beamten auf sich zu ziehen, setzte er das Magnetblaulicht aufs Dach.
Als er die Bar betrat, fühlte der Pariser Bulle sich nicht wie in der Fremde. Der Laden erinnerte an eine billige Brasserie mit Zigarettenverkaufslizenz und Pferdewettbüro. Lange Bänke, bezogen mit bordeauxfarbenem Samt, Geländer aus vergoldetem Zink, lackiertes Holz an den Wänden. Ein paar wenige Gäste hatte es an diesem Nachmittag hierherverschlagen, im Wesentlichen alte Leute, die ihre Zeit damit zubrachten, ins Leere zu starren.
Die Polizisten gingen zum Tresen, eine Art-déco-Imitation in der Roche-Bobois-Ausführung. Ein dicker Mann, der wie ein gemütlicher Mittfünfziger wirkte, saß hinter der Registrierkasse und las Zeitung. Er hatte eine Halbbrille auf der Nase, wirkte sehr konzentriert und strahlte die Gelassenheit eines Menschen aus, der sich zu Hause fühlt. Wahrscheinlich der Wirt …
François zeigte ihm seinen Ausweis.
»Kommissar Marchand. Kripo. Kann ich Sie sprechen?«
Der Mann sah auf. Augen wie schwarze Oliven, von hängenden Lidern ein wenig verdeckt. Er sah François flüchtig an, Julia dagegen etwas länger. Das Blitzen in seinen Pupillen ließ darauf schließen, dass sie nach seinem Geschmack war.
Dann antwortete er:
»Worum geht’s?«
Südfranzösischer Akzent. Die Worte klangen etwas schleppend, als wollten sie ihm nicht so recht über die Lippen kommen.
»Der Mordfall vom Ockersteinbruch. Schon davon gehört?«
Er faltete in aller Seelenruhe die Zeitung zusammen.
»Lässt sich schwer übersehen. La Provence ist voll davon.«
»Wir ermitteln in dem Fall.«
»Da haben Sie sich aber was vorgenommen! Es heißt ja, dass man noch nicht einmal weiß, wer das Mädchen eigentlich ist.«
Ein Hauch von Ironie, dazu eine gehörige Portion Misstrauen. Der Dicke schien Polizeibeamte nicht besonders zu mögen. François spürte, wie Julia zu zittern begann. Er legte die Hand auf ihren Arm, um ihr zu bedeuten, sie solle sich nichts daraus machen.
»Wir haben heute Morgen das Opfer identifiziert«, fuhr der Kommissar fort.
»Wie hieß sie?«
»Lucie Barmont.«
»Kenn ich nicht.«
»Sind Sie sicher?«
Der Dicke starrte François böse an.
»Was soll das heißen?«
»Wir haben herausgefunden, dass sie in Ihrem Lokal verkehrte.«
Der Wirt lachte höhnisch.
»Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Gäste hier jeden Tag ein und aus gehen?«
»Überhaupt keine. Ich bin mir aber sicher, dass sie Ihnen aufgefallen ist.«
»Wie das? Sind Sie Hellseher oder was?«
»Beobachter. Sie war ein hübsches Mädchen, und Sie mögen hübsche Mädchen.«
Diese Behauptung brachte ihn aus dem Konzept. Aber in gewisser Weise dürfte er sich auch geschmeichelt fühlen.
Schließlich wiegte er sich in den Hüften.
»Das ist nicht ganz falsch …«
»Gut … Dann schauen Sie sich bitte das hier mal an.«
Marchand hielte ihm ein Foto des Opfers hin. Sein Gegenüber nahm es in seine Wurstfinger, sah es vier Sekunden lang an und nickte dann.
»Na, da haben Sie aber Schwein gehabt.«
»Sie erkennen sie wieder?«
»Ja … Ein hübscher Feger. Und keineswegs schüchtern, wenn Sie mich fragen. Sie rückte hier jedes Mal mit einem anderen Kerl an.«
»Und genau das interessiert uns. Die Männer, die sie bei sich hatte.«
Der Wirt machte eine Miene, als sei alles klar.
»Verstehe, was Sie meinen. Sie glauben, es ist einer von denen?«
»Sie haben ganz recht verstanden, wir hätten gerne, dass Sie uns dabei helfen, ihn zu identifizieren.«
»Da stehen die Chancen aber schlecht.«
»Wieso?«
»Kerle sind nicht so mein Fall. Die kann ich mir nicht merken.«
»Ist Ihnen denn gar
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