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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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ein Puls von hundert. Obwohl er strikt auf seine Ernährung achtete – er aß im Wesentlichen Fisch und trank Tee –, bekam François, nicht ohne darüber beschämt zu sein, die Folgen seiner sitzenden Tätigkeit zu spüren. Seit er die Arbeit beim OCRVP begonnen hatte, hatte er jede Art von körperlicher Ertüchtigung aufgegeben. Keine Zeit. Oder nicht mehr so richtig Lust dazu. Er arbeitete wie ein Verrückter, und die wenigen freien Stunden opferte er Charlotte. Ist man erst einmal knapp über vierzig, sind Nachlässigkeiten dieser Art einfach tödlich.
    Julia kannte dieses Problem nicht. Sie war frisch, rosig, und alles andere als kurzatmig. Sie strotzte nur so vor Leben und Gesundheit wie eine aufbrechende Knospe. Als Julia sah, in welchem Zustand ihr Kollege war, musste sie ein wenig lächeln. Kommentarlos zog sie sich die Latexhandschuhe über und reichte ihm ein Paar. Dann zückte sie mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit einen Dietrich und knackte das Schloss.
    Ein Druck auf den Lichtschalter und das Zimmer war erleuchtet. Hübsch sah es bei Lucie aus, alles liebevoll möbliert und fein säuberlich aufgeräumt. Er ging ins Zimmer. Auf dem Fernseher standen einige persönliche Fotos. Ein Paar in den Fünfzigern – wahrscheinlich die Eltern des Opfers –, die stolz vor einem etwas kitschigen Schwimmbecken posierten; Lucie mit zurückgeworfenem Kopf in der Pose der Femme fatale; und mehrere Aufnahmen von einer riesigen, weißen Katze, der offenbar sterbenslangweilig war.
    Der Kommissar entdeckte sofort den Computer, einen recht schweren iMac, der auf einem kleinen Schreibtisch stand. Er setzte sich und schaltete ihn ein, während Julia die Wohnung nach allen Regeln der Kunst durchsuchte.
    Kein Desktop mit Passwortabfrage. Blaue Icons bedeckten den Bildschirm, von Dokumentenordnern über Verwaltungsschriftkram bis hin zu Urlaubsfotos. Eine Reihe von Aufnahmen zeigte die weiße Katze, die wohl Roxane hieß.
    François klickte auf den Kompass des Safari-Browsers, um ins Internet zu gelangen. Die orangefarbene Willkommensseite. Er steuerte zunächst das Postfach an in der Hoffnung, dort ein paar Hinweise zu finden. Vergebens. Nur Werbung, Bestellaufträge für Klamotten im Sonderangebot und eine beeindruckende Zahl an Spams. Man könnte meinen, Lucie habe keinen einzigen Freund gehabt, nicht einmal Bekannte.
    Dann sah er sich den Verlauf an. Die letzten Besuche waren keine fünf Tage her, die Einträge gingen bis zum Vortag des Mordes. Darunter war keine einzige Website für Onlinekleinanzeigen. Vor lauter Verzweiflung sah er sich die Lesezeichen an, denn das war die einzige Funktion, die er bei seinen minimalen Kenntnissen der IT -Tools noch kannte. Mit demselben Ergebnis. Dort waren nur uninteressante Webadressen gelistet, alles Websites für den Onlineeinkauf.
    Er schaute vom Computer auf. Bisher gab es keinerlei Hinweise auf die außerberuflichen Aktivitäten des Opfers. Verzweifelt fragte er Julia:
    »Haben Sie etwas gefunden?«
    »Rechnungen.«
    »Sind die Handyrechnungen dabei?«
    »Ja.«
    »Geben Sie mir eine. Wir schauen uns mal die Verbindungen an.«
    »Ist es Ihnen nicht lieber, wenn Devaux sich darum kümmert?«
    »Selbst ist der Mann.«
    Die junge Frau seufzte. Sie nahm sich irgendeine der Rechnungen und reichte sie dem Profiler. Dann sah sie sich den Bildschirm genauer an.
    »Aufschlussreich?«
    »Völlige Fehlanzeige.«
    »Das ist unlogisch. Wenn sie ihre Dienste im Internet angeboten hat, dann muss sich in ihrer Kiste auch irgendeine Spur finden lassen. Haben Sie sich den Verlauf angeschaut?«
    »Verlauf und Lesezeichen. Beides.«
    Sie verschränkte die Arme, ohne den Blick vom Computer abzuwenden. Es sah aus, als versuche sie, mental mit ihm zu kommunizieren. Schließlich blitzte es in ihren Augen.
    »Darf ich mal?«
    »Bitte schön …«
    Marchand machte ihr Platz. Sie ließ die letzten Verbindungsdaten über den Bildschirm laufen und zeigte damit, dass sie den Nachforschungen des Kommissars nicht im Geringsten vertraute. Gleich im Anschluss blieb sie an einer Adresse hängen.
    »Bingo!«
    François kniff die Lider zusammen, um den Namen erkennen zu können. Schon wurde die Startseite von »Meetic« geladen.
    »Sie hat bestimmt alles über diese Seite hier abgewickelt. Da wette ich.«
    Der Profiler hatte durchaus schon mal etwas von der Nummer eins im Onlinedating gehört. Dem Champion der neuen Anmache, wie sie typisch war für das dritte Jahrtausend. Da man dort anonym war und somit

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