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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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nachzuholen.«
    »Kaffee?«
    »Tee.«
    Der Kommissar schnappte sich ein Croissant und biss hinein. Seine junge Kollegin beobachtete ihn aus dem Augenwinkel.
    »Und? Was ist das für eine geheimnisvolle Neuigkeit?«
    François hatte ihr gestern noch nichts verraten. Der Fall unterlag nicht mehr der Zuständigkeit der Kripo Avignon, also war es sinnlos, sich mit dieser Mannschaft aus Hornochsen zu belasten. Er hatte Julia einfach nur gebeten, zu seinem Hotel zu kommen, und dabei Anspielungen gemacht, er habe Neuigkeiten. Bevor er sie einweihte, fragte er:
    »Haben Sie Devaux gesehen?«
    »Ließ sich nicht vermeiden.«
    »Wie war seine Stimmung?«
    »Auf hundertachtzig war er. Völlig außer sich.«
    »Sonst nichts?«
    »Er hat Ihren Chef in Paris angerufen.«
    »Na, dann Prost. Wie weit seid ihr mit Galthier gekommen?«
    »Keinen Schritt weiter. Er streitet alles ab. Für heute Morgen ist eine Wohnungsdurchsuchung geplant.«
    »Hat man den Taxifahrer gefunden?«
    »Ja. Er hat Lucie gegen zwanzig Uhr zehn vor dem Ibis-Hotel abgeholt und sie zwanzig Minuten später vor ihrer Haustür wieder abgesetzt. In diesem Punkt hat Galthier nicht gelogen. Sie war wirklich allein.«
    Also nichts Neues. Im Gegenzug erzählte ihr François, was er selbst herausgefunden hatte.
    »Maxime bestätigte, dass sein Vater zum Abendessen nach Hause gekommen und dann vor dem Fernseher eingeschlafen ist.«
    »Glauben Sie, das stimmt?«
    »Letztlich schon.«
    »Dann ist das Spiel also aus?«
    »Für Galthier jedenfalls. Aber es bleiben noch gute drei Stunden zwischen dem Augenblick, in dem Lucie in ihr Appartement zurückgekommen ist, und dem Mord.«
    »Super. In der Zwischenzeit kann sie tausend Dinge getan haben.«
    Der Tee wurde gebracht. François nippte daran und dachte über die Bemerkung nach. Es war ein Sonntagabend gewesen. Was auch immer Galthier behaupten mochte, Lucie hatte gerade einen unangenehmen Geschlechtsverkehr über sich ergehen lassen müssen. Es war kalt. Die Stadt war wie ausgestorben. Was hatte sie dazu veranlasst, noch einmal vor die Tür zu gehen?
    Nach ein paar Sekunden sagte Julia:
    »Hatten Sie mir nicht noch was anderes erzählen wollen?«
    Der Profiler erzählte ihr kurz, was geschehen war. Vom Anruf seines Vorgesetzten. Von der Leiche eines Mannes mit Verbrennungen vierten Grades, die Schnittwunden und Messerstiche aufwies und vollkommen ausgeblutet war. Diesmal mit unversehrtem Gesicht. Von der stillgelegten Müllverbrennungsanlage in einem Vorort von Grenoble.
    Als er fertig war, sagte sie erstaunt:
    »Das passt ja nicht gerade zu dem psychologischen Profil, das Sie mir gezeichnet haben.«
    »Ich weiß …«
    »Und dann ist das ja auch nicht gerade um die Ecke …«
    »Wir gehen trotzdem hin und schauen uns das an.«
    »Wir?«
    »Ich hoffe, Sie begleiten mich.«
    »Ich? Warum?«
    François antwortete mit einer Floskel:
    »Sagen wir, ich vertraue Ihnen.«
    Sie versuchte, in seinem Blick zu lesen, und wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Sie wirkte unsicher.
    »Die Kröte wird Devaux sicher nicht so leicht schlucken. Wenn es ein Serienmörder ist …«
    »Noch haben wir keinen Serienmörder. Wir werden nur mal schnell Fieber messen, und das werden wir ganz diskret tun.«
    »Wir werden ihm nichts sagen?«
    »Ihm nicht und sonst auch keinem. Diese Hypothese darf nicht zu früh publik werden. Sonst machen wir die Dinge nur komplizierter.«
    »Das ist sehr nett … Nur, wie soll ich meine Abwesenheit rechtfertigen?«
    »Es wird nicht lange dauern. Sagen Sie einfach, dass ich Sie brauche.«
    Als braver kleiner Soldat nickte sie kommentarlos. François beendete sein Frühstück, während sie ihren Vorgesetzten anrief. Dann verließen sie das Hotel. Besser nicht trödeln, sie hatten noch einen ziemlich langen Weg vor sich.
    17
    Ein verkohltes Gesicht.
    Kein Maskenbildner, und sei er noch so sehr auf Spezialeffekte spezialisiert, wäre in der Lage gewesen, so etwas mit dieser Prägnanz nachzubilden.
    Keine Wimpern mehr, keine Augenbrauen, keine Haare. Offen liegende Fleischfetzen wie eine geschälte Orange. Schrunden, Wülste, Blasen. Anstelle der Lippen ein rosa Fleischwulst, gespannt bis aufs Äußerste, kurz vor dem Zerreißen.
    François musste wegschauen. Der Rest des Opfers war von einem weißen Laken bedeckt, was ihm vorläufig diesen Anblick ersparte. Er sah auf seine Uhr. Jetzt stand er sich schon seit zwanzig Minuten bei dieser Leiche die Beine in den Bauch, und immer noch war von einem

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