Wer Boeses saet
dass es ihn schmerzte, nein, es ärgerte ihn.
»So ein Wunsch kommt nicht von ungefähr«, beharrte Julia. »Dahinter steckt immer ein handfester Grund.«
»Gründe gab es Tausende. Zusammenfassend lässt sich sagen: Es war für alle Beteiligten besser so.«
»Machte Lucie Ihnen Probleme?«
Er seufzte.
»Das ist das Mindeste, was sich sagen lässt.«
»Welche?«
»Sie war eifersüchtig.«
»Auf wen denn?«
»Auf Jennifer. Sie ist eine sehr schöne Frau. Überaus feminin. Lucie konkurrierte ständig mit ihr.«
Die Art, wie Barmont über seine Frau sprach, bestätigte die symbiotische Natur ihrer ehelichen Verbindung. Julia sah jetzt weniger nur den Playboy in ihm.
»So was kann schon mal vorkommen. Besonders in der Pubertät.«
»Nur dass das schon viel länger so ging. Lucie hat es noch nie ertragen, uns zusammen zu sehen. Ich weiß, es ist verrückt, aber wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie meine Frau liebend gerne aus dem Weg geräumt.«
Irgendein falscher Ton lag in seinen Worten. Julia bekam leise Zweifel.
»Ich bin mir nicht sicher, dass ich Sie richtig verstanden habe. Ist Ihre Frau nicht die Mutter von Lucie?«
»Nein. Ich habe kurz nach ihrer Geburt wieder geheiratet.«
Jetzt erklärte sich die Eifersucht des Mädchens. Eine aufgezwungene Stiefmutter, ein Vater, der sie übersah. Sie dürfte sich bei diesem egozentrischen Paar ziemlich allein gefühlt haben.
Julia verteidigte Lucie.
»Das ist überhaupt nicht verrückt. Sie war wahrscheinlich nur ein bisschen verliebt in Sie. Alle kleinen Mädchen sind in ihren Papa verliebt.«
»Vielleicht. Aber der Zustand war einfach nicht tragbar.«
»Warum?«
»Weil sie Jennifer bedrohte.«
»Wie bedrohte?«
Das Gesicht des Königs der Friseure verhärtete sich.
»Körperlich. Ich musste mehrmals eingreifen, um die beiden zu trennen.«
Jetzt ging es also um Gewalt. Nachdem sie via Internet Ballast abgeworfen hatte, war das eine neue Art, sich auszudrücken. Die Polizistin versuchte, in diese Richtung weiterzubohren.
»Wie verhielt sie sich denn so im Allgemeinen?«
»Sie hatte Wutanfälle, rannte weg. In der Schule riss sie sich nicht gerade ein Bein aus, und zu Hause ließ sie sich bedienen.«
Antworten, mit denen sie gerechnet hatte. Das war die Beschreibung einer jungen, aufbegehrenden Frau. Sie drehten sich im Kreise.
»Immerhin ist sie Friseuse geworden«, gab Julia zu bedenken. »Sie hatte denselben Beruf ergriffen wie Sie …«
»Ach das? Das hat sie nur getan, um mich auf die Palme zu bringen. Genauso wie sie mit vierzehn Jahren die Schule abgebrochen hat, um sich mit diesem erbärmlichen Typen herumzutreiben.«
Seine Wut war so groß, dass die Nerven blank lagen. Langsam bröckelte bei ihm die schöne Fassade, und dahinter kam eine etwas krudere Sprache zum Vorschein. Wahrscheinlich war das die Ausdrucksweise, die Barmont sich selbst auszutreiben versuchte, seit er Erfolg hatte.
Julia knüpfte hier an.
»Sie hatte also einen Freund?«
»Ja, so ein kleines Arschloch, das die ganze Zeit bei ihr herumhing.«
»Ich dachte, sie sei Single?«
»Da hat man sie wohl falsch informiert.«
»Und wann war das?«
»Vor sechs Monaten. Kurz bevor sie ihre Koffer packte.«
»Wie hieß er?«
»Keine Ahnung.«
Julia ließ nicht locker.
»Stephen? Maxime? Sagen diese Namen Ihnen gar nichts?«
»Nein.«
»Na dann, wie sah er aus?«
»Wie ein Wichser.«
»Das sagt mir nichts.«
Er zuckte die Schultern.
»Was soll ich Ihnen sagen? Diese Dreckskerle, die sehen doch einer aus wie der andere. Zu große Klamotten, idiotischer Haarschnitt, blöde Glotzaugen.«
»Haben Sie sich denn keine Einzelheiten merken können?«
»Nein. Nur dass er fünf oder sechs Jahre älter war als Lucie.«
Also konnte es sich weder um den Friseurkollegen noch um Galthiers Sohn handeln. Zu jung. Aber Barmonts Wut war förmlich zu greifen. Julia legte den Finger in die Wunde, um zu sehen, wohin das führen würde.
»Störte Sie dieser Altersunterschied?«
»Ich kenne diese Typen. Der glaubte wahrscheinlich, er könnte meine Tochter vernaschen.«
»Das ist kein Verbrechen.«
»Sie war noch sehr unreif. Sie war noch nicht so weit.«
Julia dachte an ihre Spielchen im Internet. Eine Sekunde lang zögerte sie, ob sie ihm reinen Wein einschenken sollte, einfach nur, um diesem Egoisten eine Lektion zu erteilen. Es gelang ihr, sich zurückzuhalten und das Gespräch wieder auf den Freund des Opfers zu lenken. Diese Informationsquelle konnte wahrscheinlich ihrem
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