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Wer braucht denn schon Liebe

Wer braucht denn schon Liebe

Titel: Wer braucht denn schon Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marte Cormann
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fauchen mich an und gehen mit ausgefahrenen Krallen auf mich los? Dazu noch ohne Handtasche?! Dabei weiß doch jeder Mann mit Lebenserfahrung, dass eine anständige Frau keinen Schritt ohne ihre Tasche macht.«
    Über seine indirekte Unterstellung, sie wäre keine anständige Frau, vermochte Karen bloß höhnisch zu lachen. Stolz warf sie den Kopf in den Nacken. »Na und wenn schon! An Ihrer Stelle würde ich erst mal ein anständiges Bad nehmen, bevor ich mir ein Urteil über andere erlaube!«
    Zu ihrer Überraschung begann er betroffen an seinen Achselhöhlen herumzuschnuppern. Für einen Mann, der auf der Straße lebte und deshalb an Dreck jeder Art gewöhnt sein musste, eine ziemlich ungewöhnliche Reaktion.
    Missmutig erhob er sich. »Ich ziehe es vor, mich zurückzuziehen. Mein Bedarf an ungebetener Gesellschaft ist für heute Nacht gedeckt. Ich habe keine Bedenken, wenn Sie sich von der Salami nehmen. In der Flasche da ist Wein. Sie sind zwar unverschämt, aber ich bin kein Unmensch.« Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, stakste er hinüber zu der Stelle, wo er es sich vor ihrem Eintreffen bereits bequem gemacht hatte. Mit wenigen, aber dafür umso heftigeren Schlägen klopfte er sich ein Büschel Heu wie ein Kopfkissen zurecht, bevor er sich drauflegte und ihr den Rücken zuwandte.
    »Haben Sie auch einen Namen?«, rief Karen ihm leicht verunsichert zu.
    Er stieß zunächst eine Art Grunzlaut aus, mit dem er ihr zu verstehen gab, dass er an einer weiteren Unterhaltung nicht interessiert war. Doch schließlich quetschte er doch noch einen Laut heraus, der wie Lorenzo klang.
    Verzagt biss Karen in die dicke Scheibe Salami, die sie sich abgeschnitten hatte. Sie schmeckte köstlich, doch sofort begann ihr geübtes Hirn den Nährwertgehalt der Wurst zu analysieren. Karen erinnerte sich daran, dass eine Frauenzeitschrift vor kurzem eine Tabelle veröffentlicht hatte, die den Fettgehalt von Lebensmitteln auswies. Eine Erkenntnis hatte sich unauslöschlich in ihr Gehirn gebrannt: Der Fettgehalt einer Salami übertraf den Fettgehalt von so ziemlich jedem anderen Lebensmittel bei weitem. Demnach lebte sie soeben schrecklich ungesund. Doch der Rotwein, den sie mangels Gläser direkt aus der Flasche trank, hob dies mit seinen Flavonoiden möglicherweise wieder auf. Die senkten den Bluthochdruck und schützten vor Herzerkrankungen.
    »Mmmh, Lorenzo also. Schöner Name.« Karen entspannte sich ein wenig, als der Wein sie von innen erwärmte. »Bei euch in Italien haben sogar die Gangster schöne Namen«, sinnierte sie weinselig. Absichtlich ignorierte sie dabei das unwillige Grunzen, das aus Lorenzos Richtung kam. Was konnte sie dafür, dass er sich den falschen Beruf ausgesucht hatte. Wer wehrlose Frauen im Dunkeln mit dem Messer bedrohte, konnte es sich ja wohl kaum leisten, empfindlich zu reagieren.
    »Lorrrenzo«, wiederholte sie noch einmal und ließ dabei das r sanft über ihre Zunge laufen. »Bei uns in Deutschland klingt alles viel zackiger. Nehmen Sie meinen Namen zum Beispiel. Karen Rohnert. Zack, zack. Das einzig Weiche an diesem Namen ist das o. Und vielleicht noch das r. Rooohnert. Statt Lorrrenzo. Ro – or. He, ich habe gerade eine Gemeinsamkeit zwischen uns beiden entdeckt. Wir teilen uns zwei Buchstaben! Ro – or. Was sagen Sie dazu?!«
    Das leise Schnarchen, das sie zur Antwort erhielt, sprach Bände: Lorenzo scherte sich einen Dreck um ihre Gemeinsamkeiten.

Fünf
    Karen wusste nicht, wie lange sie schon geschlafen hatte, als ein Windhauch sie weckte, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Jemand schleicht hier rum!
    Während sie sich verzweifelt um einen klaren Kopf bemühte, hielt sie vorsichtshalber die Augen fest geschlossen. Zusammengerollt lauschte sie in die Dunkelheit hinein.
    Da! Schon wieder!
    Leise, kaum wahrnehmbare Schritte näherten sich ihrem Lager. Karen spürte, wie sich ihre Kopfhaut vom Nacken aus zusammenzog.
    Sei vorsichtig, Kind, kam ihr die Warnung ihrer Großmutter in den Sinn.
    Gerne, aber wie verhielt man sich in einer solchen Situation angemessen?
    Vielleicht war es ja auch bloß Lorenzo, der mal kurz für kleine Jungs hinausgegangen war und sich bei seiner Rückkehr nun an ihrem schlafenden Anblick weidete.
    Es ist jemand anders.
    Sie lauschte angestrengt, als der Eindringling nun fast geräuschlos an ihr vorbei hinüber zu Lorenzo schlich.
    Gerade als sie meinte, diese Anspannung keine Minute länger mehr ertragen zu können, spürte sie, wie jemand den Raum

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