Wer braucht schon Liebe
arbeiten. Mir macht es nichts aus, dass du dir in der Mittagspause Zeit lässt, wirklich. Du hast es verdient. Ich habe dich gern hier. Und du bist gut fürs Geschäft.«
» Sind Sie sicher, denn …«
» Ich bin sicher«, unterbricht sie mich. Dann tritt sie hinter die Theke. Und ehe ich michs versehe, gibt sie mir eine kleine, in Geschenkpapier verpackte Schachtel. » Hier«, sagt sie, » eine Kleinigkeit.«
» Für mich?« Ich fasse mir ans Herz. Und da geht es schon wieder los. Jemand bringt mir nur die klitzekleinste Freundlichkeit entgegen und ich könnte losheulen.
» Ich habe gesehen, wie du es heute Morgen angeschaut hast.«
Es ist eine total süße Kette – eine Silberkette mit einem quadratischen Anhänger, in dessen Mitte sich ein winziges Herz befindet, das sich bewegt. Ich sehe Pat an. » Sind Sie sicher?«
Sie lächelt und nimmt es aus der Schachtel. » Hier, ich mache es dir um.«
» Vielen Dank.«
» Alex, das ist nicht der Rede wert. Trag die Kette, und ich sage dir, die Leute werden sie kaufen. Du bist ein hübsches Mädchen.«
Ich bin total verblüfft.
Aber das Unglaubliche ist, dass sie recht hat: Noch am selben Nachmittag verkaufen wir drei solche Ketten. Und es fällt mir schwer zu glauben, dass jemand etwas haben will, nur weil ich es trage.
Um vier Uhr herum dekoriere ich gerade eine Vitrine, als ich jemanden hinter mir spüre. Ich drehe mich um.
» Hi!«, dröhnt eine Frau in einem blassrosa Trainingsanzug mit aufgetürmten blonden Haaren.
» Entschuldigung, ich habe Sie gar nicht gesehen.« Ich werfe einen Blick hinüber zu Pat, die eigentlich für Kunden frei gewesen wäre. Sie sieht mich an und zuckt die Schultern.
» Ich suche einen Ring«, sagt die Frau. Ihr Akzent klingt – ich weiß nicht, australisch?
» Gern.« Ich lächele.
» Einen Verlobungsring.«
Das ist nicht die Art Laden, der Verlobungsringe verkauft, und das sieht man, sobald man reinmarschiert. Alles ist modern und flippig. Soweit ich weiß, kostet hier nichts über 200 Euro. Aber da es eine aufregende Zeit für sie sein muss, gratuliere ich ihr.
» Oh, ich bin nicht verlobt«, sagt sie.
Ich werfe ihr einen kurzen Blick zu. Wie bitte?
» Aber ich werde es bald sein«, fügt sie strahlend hinzu.
Ich frage mich, ob der Typ das weiß.
» Es tut mir leid«, sage ich. » Aber wir verkaufen keine richtigen Verlobungsringe. Wir haben vor allem Modeschmuck.«
» Woher hast du den?«, fragt sie und zeigt auf meine Hand. Ihre Nägel sind bis aufs Nagelbett abgekaut.
Ich betrachte den Ring, den meine Mum mit einem der Diamanten aus ihrem Verlobungsring für mich gemacht hat. Ich nehme ihn nie ab. Nach Homer ist er das Wertvollste, was ich besitze.
» Das war ein Geschenk«, sage ich ruhig und verstecke meine Hand vor ihr.
» Von jemand Besonderem.«
Ich werfe einen kurzen Blick auf sie. » Entschuldigen Sie, kenne ich Sie?«
Sie weicht einen Schritt zurück. » Nein, nein. Ich dachte nur, dass so ein Geschenk … von jemand Besonderem sein muss. Das ist alles.«
Plötzlich will ich sie nur noch loswerden. » Eigentlich mache ich nur ein Praktikum hier. Ich hole die Besitzerin für Sie. Vielleicht kann sie Ihnen weiterhelfen.« Ich sehe zu Pat hinüber.
» Nein. Schon gut. Sie kann mir nicht helfen. Hier gibt es keine Verlobungsringe.« Sie geht rückwärts. Und so schnell, wie sie gekommen ist, ist sie wieder verschwunden.
Pat kommt herüber. » Kennst du die?«
» Nein.«
» Wirklich? Ich war mir sicher, dass sie dich kennt. Sie kam rein und ist direkt an mir vorbei auf dich zugegangen, als wollte sie ausdrücklich mit dir reden.«
Ich schaue auf den leeren Türrahmen. » Sie wollte einen Verlobungsring.«
» Allein?«
» Irgendwie war sie komisch.«
28 Der schwarze Reiter
Eines Tages fährt Mike vor dem Haus vor und parkt neben einem Wagen, den ich genauso deutlich wiedererkenne, wie Frodo aus dem Herr der Ringe die schwarzen Reiter erkennen würde. Ein Blick und die Welt bleibt stehen. Plötzlich bin ich zehn Monate in der Zeit zurückgereist und befinde mich an einem Zeitpunkt, an dem die Uhr stehen blieb und nichts mehr von Bedeutung war. Mike und ich wechseln einen Blick.
» Ich bin mir sicher, es hat nichts zu bedeuten«, sagt er.
Am liebsten möchte ich ihm sagen, dass er den Rückwärtsgang einlegen und verdammt noch mal von hier verschwinden soll. Und gleichzeitig will ich ins Haus stürzen.
Die Eingangstür öffnet sich. Und der schwarze Reiter kommt heraus, den Arztkoffer in der
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