Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
laut auf und stellt sich mir wieder wie ein Sumoringer entgegen.
Knapp bevor er nach mir schnappen kann, springe ich an seinem angewinkelten Oberschenkel ab und lasse mich im Vorwärtssalto über ihn fallen. Hinter ihm angekommen, schnappe ich mir die Axt, die an einer Holzwand hängt. Verblüfft hat sich der Schmied zu mir umgedreht. Er sieht aber nicht so aus, als ob er aufgeben würde.
Ohne nachzudenken schleudere ich die Axt vor mir hoch in die Lüfte. Als sie von oben zurückkommt, stoße ich einen Ellbogen an den Stiel, sodass sie sich noch einmal dreht. Dann ducke ich mich unter ihr hindurch, stoße beide Beine ab, um mich seitlich um die eigene Achse zu schrauben und fange sie sauber in der Luft auf.
Beide meiner Hände sind ausgestreckt. In der einen halte ich die Axt. Warte mal. Woher kann ich so etwas? Das ging irgendwie automatisch. Die Bewegungen sind mir unglaublich vertraut. Ich lasse den Holzgriff durch meine Hand gleiten und halte die Waffe mit einem Finger in der Wage. So prüft man, ob sie ausbalanciert ist. Nur bei guter Schmiedekunst, fällt sie nicht hinab. Woher weiß ich das?
Ich war so in Gedanken, dass ich den Schmied fast vergessen hätte, der mit offenem Mund vor mir steht.
Irgendwie kann ich ihn verstehen, ich mach mir gerade selbst Angst. Bevor er einen Herzinfarkt bekommt, lege ich das Teil auf den Tisch neben mich. Blitzschnell holt er den Sack mit den Hufeisen, den ein Diener von Lord McConnor vorbestellt hat, legt noch ein Hufeisen hinein und lässt ihn auf den Tisch plumpsen.
Die Axt schnappt er sich vorsichtshalber. Langsam trete ich an ihn heran. Man kann die Schweißperlen auf seiner Stirn stehen sehen. Sekundenlang spieße ich ihn mit meinen Augen auf. Das ist ihm sichtlich unangenehm, denn er wendet den Blick zuerst ab.
Wie in Zeitlupe greife ich nach dem Sack. Daraufhin wende ich ihm den Rücken zu. Er gibt mir noch ein „
Hexe
“ mit auf den Weg. Schön wärs, dann hätt ich dir deinen Prügel in einen Regenwurm verwandeln können.
Ich bin echt stolz auf mich. Nicht einmal hab ich dem Drang nachgegeben, zu Beliar rüberzusehen. Ich komme sicher bald über ihn hinweg. Wieso klappt es eigentlich nicht mehr, mich selbst zu belügen?
Zurück in der Burg ist offensichtlich reges Treiben ausgebrochen. Einer der Männer scheucht mich in die Küche, um dort zu helfen. Wir kriegen wohl Gäste.
Der Koch sagt mir, wir erwarten Lord Thalis mit seinen Schülern. Wunderbar. Nick ist so ziemlich der letzte Gast, auf den ich mich freue.
„Hope, raus mit dir. Geh dich waschen, damit du vorzeigbar bist“, herrscht mich der dicke Koch an.
Ich wasche mich gerade in Junus‘ Zimmer, da stürmt er herein.
Sein „Verzeihung“, soll mich wohl besänftigen, weil er mich gerade nackt erwischt hat. Ich rolle mit den Augen. Er hat mich schon so oft so gesehen – es ist mir mittlerweile egal. Immerhin teilen wir jede Nacht ein Bett.
„Hope, weißt du schon, dass Lord Thalis zu Besuch kommt?“ Ich nicke. „Keiner von ihnen weiß, dass ich ein Hexer bin.“ Oh, okay. „Mein Vater weiß es auch nicht“, ergänzt er. Panisch drehe ich mich zu ihm um. Das ist nicht möglich. „Lord McConnor ist nicht mein leiblicher Vater. Er hat mich bei sich aufgenommen, als ich klein war.“ Das erklärt einiges. Mann, das muss hart sein, mitten im Schwarzen Orden aufzuwachsen, wenn man doch zu denen gehört, die sie jagen.
Junus hilft mir mit dem Mieder, das ich mir umschlage. Als er innehält, suche ich seine Augen im Spiegel vor mir. Sein Blick ist auf meinen Rücken gerichtet. Ich will mich schon zum Spiegel drehen, um zu sehen, was da ist, da hält er mich zurück. „Ich hab mir nur die Kratzer angesehen. Sie heilen immer noch nicht.“ Ich nicke. Die Wunde ist eigenartig. Es blutet zwar nicht mehr, aber richtig heilen tut es auch nicht.
Junus zieht das Mieder so fest, dass ich keuche. An das Teil werde ich mich nie gewöhnen. Gut, dass sie das mit der Zeit abgeschafft haben.
An der Tafel im Speisesaal haben alle Gäste Platz genommen. Hinter dem Vorhang, der mich vor ihren Blicken schützt, erkenne ich Lord Thalis und die Jungs. Eleonor ist auch dabei. Sie ist schwanger, ihren Bauch kann sie schon nicht mehr verbergen. Sie sieht toll aus – so voller Leben.
„Hope!“, ruft der Lord und lockt mich so aus meinem Versteck hervor. Ohne sie anzusehen, fülle ich ihre Becher mit Wein.
„Sei gegrüßt Hope“, richtet Lord Thalis das Wort an mich. Ich nicke und knickse
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