Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
verzweifelt nach einer Versteckmöglichkeit. Die Türe wird im nächsten Augenblick aufgestoßen. Vor Schreck bin ich wie erstarrt.
Ein junger Mann, der genauso überrascht zu sein scheint, wie ich es bin, starrt mich mit offenem Mund an. Sein Haar ist so pechschwarz, dass es glänzt und seine Augen sind von solcher einer Dunkelheit, die mich schlagartig in den Bann zieht. Irgendetwas sagt mir, dass ich ihn schon einmal irgendwo gesehen habe, aber ich bin zu verängstigt, um klar denken zu können.
Er streckt die Hand aus, als wolle er mir sagen: „Hab keine Angst.“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht hält er sich den Zeigefinger an den Mund. In seinem Blick ist so viel Emotion verwoben, die mich total überwältigt. Es scheint so, als wolle er mir helfen.
Der Mann im Zimmer meiner Eltern brüllt etwas, das ich nicht verstehen kann. Ich bin kurz abgelenkt. Der Komplize hat dies ausgenutzt und steht plötzlich vor mir. Mein Schrei erstirbt durch seine Hand. Sein fester Griff schleift mich ans Ende des Ganges. Egal, wie sehr ich mich gegen ihn zur Wehr setze, er ist stärker. Mühelos zieht er mich in das Nebenzimmer. Meine Mutter schreit sich die Seele aus dem Leib. Mit Tränen in den Augen, kämpfe ich weiter. Mein Vater brüllt. Etwas Schweres fällt auf den Boden. Plötzlich herrscht Stille.
„
Junus, wo bleibst du so lange!“, brüllt der Mann laut.
„
Verzeih mir Hope“, haucht er mir ins Ohr. Etwas Hartes trifft mich am Kopf und knipst mir die Lichter aus.
Mein Stöhnen klingt unnatürlich laut in meinem Kopf. Immer wieder fallen mir die Augenlider zu. Sie wollen einfach nicht offenbleiben, so sehr ich mich auch anstrenge.
Mein Schädel bringt mich fast um. Ich fühle mich, als hätte mich ein Bus erfasst. Mit den schlimmsten Kopfschmerzen meines Lebens, kämpfe ich mich hoch. Ich bin in einem fremden Zimmer.
„
Bitte hab keine Angst vor mir Hope.“ Ich habe mich so erschrocken, dass ich wie von Sinnen aufspringe und mich ans Fenster presse. Der Komplize, der mich von der Tür weggezerrt hat, steht im Raum. Mein Kopf dröhnt so stark, dass ich fast durchdrehe.
„
Komm mir nicht zu nahe“, hauche ich panisch.
„
Erinnerst du dich denn nicht an mich Hope?“ Woher weiß er, wie ich heiße? Was zum Teufel geht hier vor?
„
Ich ... ich weiß nicht. Irgendwie kommst du mir bekannt vor. Woher kennst du meinen Namen?“
„
So habe ich dich immer genannt. Ich bin es – Junus. Dein Bruder.“ Was? Er kommt näher und streckt mir sein Handgelenk entgegen. Er hat eine Tätowierung – es ist ein Baum.
Meine Hand schnellt automatisch vor und berührt es. Ich erinnere mich daran. Ein Junge, der mir erklärt, dass es ein Keltisches Symbol ist. Der Lebensbaum. Dann sehe ich ein Feuer. Menschen mit Fackeln stürmen unser Haus. Schreie zerreißen die Luft. Der Junge hebt mich in seine Arme und läuft mit mir über die Felder. Ich weine vor Angst. Schreie seinen Namen: Junus. Er flüstert mir ins Ohr, dass alles gut wird. Dunkle Nacht. Wind auf meiner Haut. Ein Fremder entreißt mich seinen Armen und stößt meinen Bruder nieder. Wir werden getrennt.
Ich dachte immer, das wäre nur ein Traum, der mich verfolgt. Fast jede Nacht sucht er mich heim. Es ist kein Traum, es ist eine Erinnerung. Ich spüre es ganz deutlich.
„
Junus?“, hauche ich atemlos. Er lächelt und stürmt auf mich zu.
Seine Umarmung erschreckt mich im ersten Moment, aber ich spüre seine Liebe. Sie durchflutet mich förmlich. Panisch presse ich mich an ihn.
Die Erinnerungen meiner frühesten Kindheit prasseln auf mich nieder. Sie waren die ganze Zeit da, verborgen unter dem Deckmantel eines Traums. Der Schmerz unserer Trennung entfacht in mir von neuem. Meine Tränen bahnen sich einen Weg über meine Wangen.
Junus lockert seinen Griff.
„
Lass mich nicht los. Bitte halt mich fest“, flehe ich. Sofort zieht er mich wieder an sich. „Meine kleine Hope, ich dachte, ich würde dich niemals wiedersehen.“
Viel zu schnell löst er sich von mir. Mein Bruder betrachtet jeden meiner Züge. Seine Hände streichen über mein Haar. Es ist, als würde er meine Essenz in sich aufnehmen wollen. Auch er hat Tränen in den Augen.
„
Du siehst aus, wie unsere Mutter. Als ich dich sah, dachte ich, sie würde vor mir stehen. Du kannst nicht ermessen, welchen Schrecken du mir eingejagt hast. Die Späher haben nicht übertrieben. Du bist atemberaubend schön.“ Peinlich berührt, weiche ich seinem Blick aus.
„
Wie geht es Mutter? Kann
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