Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)
Aber wann würden sie hier eintreffen?
Es war fast Vollmond. Trotzdem war nicht viel zu erkennen. Glitzernde Wasser bahnten sich ihren Weg ins Marschland. Troy wollte auf dem breitesten Kanal in das Herz des Naturparks vorstoßen.
»Die Flut ist heute ziemlich stark«, sagte er.
»Ist das gut?«
»Das bedeutet nur, dass man mit dem Boot schneller hineinfahren kann. Man ist auch schneller wieder draußen.«
»Wir müssen uns entscheiden«, sagte er. »Bleiben wir draußen oder nicht? Falls er schon drin ist, ist das hier die beste Stelle, um ihn abzufangen. Ist er aber noch nicht hier, dann könnten wir ihn in diesem Labyrinth verpassen.«
Elaina sah sich um. Als könnte die Dunkelheit, die sie beide umgab, ihnen bei der Entscheidung helfen.
»Hörst du das?«
»Was?« Im selben Moment hörte auch Troy das leise Tuckern eines Bootsmotors. Er schaltete seinen Motor aus. »Er kommt von Norden. Warten wir ab, wohin er fährt. Dann folgen wir ihm.«
Troy hoffte, dass sich die Silhouette seines Bootes nicht gegen den Himmel abzeichnete. Denn der Mond tauchte ab und zu hinter den Wolken auf, so dass man partiell etwas erkennen konnte. Aber da musste einer schon viel Glück haben oder extrem aufmerksam sein, um sie hier zu entdecken.
Das Geräusch kam näher. »Der Motor hat nicht viel PS «, sagte Troy. »Wahrscheinlich ein kleines Boot mit Außenbordmotor.«
»Das heißt, wir sind schneller?«
»Das schon. Aber sein Boot ist schmaler und leichter. Und damit auch beweglicher.« Ein schwacher Lichtstrahl blitzte auf. Troy konnte die Umrisse eines Bootes mit einem Licht am Bug und einer Person am Heck erkennen. Es war zu dunkel, um die Person genauer zu identifizieren.
War das ihr Mann? Oder war es nur ein Nachtangler, der nach einer Stelle suchte, um seine Ruten auszuwerfen?
Das Boot wurde langsamer und bog nach links ab. Troy brummelte etwas vor sich hin.
»Was ist?«, fragte Elaina.
»Er fährt in den Sumpf.«
Troy glitt langsam durch den immer enger werdenden Kanal. Der Mond war sein Wegweiser. Er hatte sogar das Navigationssystem ausgeschaltet, damit sein grünliches Schimmern nicht seine Aufmerksamkeit erregte.
»Ob er uns hören kann?«, fragte Elaina.
»Nicht, solange der Motor läuft.«
Sie verloren das Boot manchmal aus den Augen, denn es fuhr im Schlängelkurs immer tiefer in den Sumpf hinein. Der Salzstreuer war die falsche Wahl gewesen. Aber sie hatte mit einer Verfolgungsjagd gerechnet, nicht mit einem Versteck- und Geduldsspiel.
Ob er wusste, dass sie hier waren? Wollte er sie in einen Hinterhalt locken, oder erledigte er sein schmutziges Geschäft quasi automatisch und bemerkte deshalb nicht, dass er verfolgt wurde?
»Fahr näher an ihn ran«, sagte sie. »Falls es der Falsche ist, müssen wir umkehren.«
»Das versuche ich ja«, sagte er. Troy tat wirklich sein Bestes, um den Abstand zu verringern, ohne auf Grund zu laufen.
Sie glitten über das flimmernde Wasser. Der tiefe Ton des Schnellbootmotors wurde von dem hohen Ton des Außenborders überlagert.
Elainas Handy vibrierte. Auf dem Display erschien Bens Nummer. Sie kauerte sich nieder und nahm das Gespräch an.
»Mach es kurz«, sagte sie.
»Ich habe die Koordinaten. Ich schicke sie per SMS .«
»Konntest du den Ort ermitteln?«
»Er liegt im Nationalpark Lito Island«, sagte er. »Mitten im Sumpf.«
Elainas Herz pochte. Genau da waren sie jetzt.
»Okay, gib auch Cinco und Weaver die Koordinaten durch. Und sag ihnen, dass wir sofort Verstärkung brauchen.« Sie beendete das Gespräch.
Der Motor des Bootes vor ihnen klang plötzlich anders. Troy schaltete sofort den Motor des Salzstreuers aus, bevor auch das andere Boot verstummte.
Wolken schoben sich vor den Mond. Es wurde stockfinster.
Elaina blickte nervös um sich. Ganz in der Ferne sah sie die Lichter der Dammbrücke und die flackernden Schornsteine der Raffinerie auf der anderen Seite der Bucht.
Troy fasste sie am Arm. Sie erschrak.
»Hörst du das?«, flüsterte er.
Sie hörte nur das Surren von Insekten und das Wasser, das sacht gegen das Boot schlug. Sehen konnte sie nichts. Noch nicht einmal Troy, der nur ein paar Zentimeter neben ihr stand.
Aber dann hörte sie etwas. Ein sanftes Platschen. Und dann noch eines. Er war aus dem Boot gestiegen. Dann ein Rascheln im Schilf. Danach war es wieder still.
Elaina stellte sich vor, wie er Jamie aus dem Boot trug. Troy stellte sich vor, wie er Jamie in einem Gebüsch voller Dornen ablegte.
»Wir müssen ihm folgen.«
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