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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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okay?«
    »Nein. Um zehn ist Schlafenszeit. Es ist schon fast Viertel nach.«
    »Jen braucht Hilfe bei den Hausaufgaben.«
    Megan runzelte die Stirn. »Auf Facebook?«
    »Eine Viertelstunde, Mom. Mehr nicht.«
    Aber es war nie nur eine Viertelstunde, denn in einer Viertelstunde würde das Licht immer noch brennen und Kaylie würde am Computer sitzen, so dass Megan noch einmal aufstehen und ihr sagen müsste, dass sie endlich ins Bett gehen sollte.
    »Nein. Sofort.«
    »Aber …«
    »Soll ich dir Hausarrest geben?«
    »Herrgott, was hast du für ein Problem? Eine Viertelstunde!«
    » SOFORT !«
    »Warum schreist du denn so? Immer musst du mich anschreien.«
    So lief das. Immer. Megan dachte an Lorraine, an ihren Besuch und den Satz, dass Kinder nichts für sie seien, als sie die Mamis im Starbucks gesehen hatten. Sie dachte daran, dass einen die Vergangenheit nie ganz losließ – weder das Gute noch das Schlechte –, auch wenn man sie in Kartons packte, in einen Schrank stellte und davon ausging, dass es wie mit den echten Dingen war, die man im Haus in Kartons aufbewahrte: Man behielt sie ohne die Absicht, die Karton je wieder zu öffnen – doch dann, wenn das richtige Leben einem auf die Pelle rückte, holte man sie aus dem Schrank und sah hinein.
    Als Megan wieder ins Schlafzimmer kam, war Dave bei laufendem Fernseher mit der Fernbedienung in der Hand eingeschlafen. Er lag auf dem Rücken. Er hatte kein Hemd an. Seine Brust hob und senkte sich, während er leise dazu schnarchte. Megan blieb einen Moment lang stehen und betrachtete ihn. Er war dick geworden, noch ganz gut in Form, aber im Lauf der Jahre hatten sich immer weitere Schichten übereinandergelagert. Sein Haar wurde dünner, seine Wangen wurden etwas fülliger. Auch seine Haltung war nicht mehr dieselbe wie früher.
    Er arbeitete zu hart. Wochentags stand er immer um halb sieben auf, zog Anzug und Krawatte an und fuhr in sein Eckbüro in der fünften Etage in Jersey City. Er arbeitete als Anwalt und war mehr auf Reisen, als es ihm guttat. Die Arbeit gefiel ihm, er lebte aber für die Zeiten, wenn er nach Hause kommen und bei der Familie sein konnte. Dave trainierte gern mit seinen Kindern und ging mit zu den Spielen. Dabei legte er zu großen Wert darauf, dass sie Erfolg hatten. Er plauderte gerne mit den anderen Eltern am Spielfeldrand, trank das eine oder andere Bier mit den Veteranen der American Legion, spielte in der Altherrenmannschaft Fußball und ging frühmorgens eine Runde Golf spielen.
    Bist du glücklich?
    Sie hatte ihn das nie gefragt. Er sie auch nicht. Aber was würde sie ihm auch darauf antworten? Sie verspürte gerade eine gewisse Unruhe. Ging ihm das genauso? Sie verheimlichte es ihm. Vielleicht machte er das auch? Die letzten sechzehn Jahre hatte sie mit diesem Mann das Bett geteilt – und nur mit diesem Mann. Und sie hatte ihn vom ersten Tag an belogen. Wäre das jetzt wichtig für ihn? Würde die Wahrheit etwas verändern? Er wusste nichts über ihre Vergangenheit – und trotzdem kannte er sie besser als jeder andere.
    Megan trat näher ans Bett, nahm ihm behutsam die Fernbedienung aus der Hand und schaltete den Fernseher aus. Dave drehte sich auf die Seite. Er rollte sich zum Schlafen meist zusammen. Sie legte sich hinter ihn, so dass sie seinen ganzen Körper berührte. Er war warm. Sie legte die Nase an seinen Rücken. Sie liebte seinen Geruch.
    Wenn Megan an ihre Zukunft dachte, wenn sie ihr altes Ich in Florida, in einer Rentnersiedlung oder wo auch immer sah, war es immer mit diesem Mann zusammen. Etwas anderes konnte sie sich nicht vorstellen. Sie liebte Dave. Sie hatte sich mit ihm ein Leben aufgebaut und liebte ihn – musste sie sich schlecht fühlen, weil sie gelegentlich etwas mehr oder etwas anderes wollte?
    Es war falsch. Aber die eigentliche Frage war wohl, warum es falsch war.
    Sie legte ihm die Hand auf die Hüfte. Sie wusste genau, wie er reagieren würde, wenn sie die Finger unter das Gummiband schob – das leise Stöhnen im Schlaf. Sie lächelte, als sie daran dachte, entschied sich dann aber aus irgendeinem Grund dagegen. Ihre Gedanken wanderten wieder zurück zu ihrem Besuch im La Crème . Es war so wunderbar gewesen, einfach dort zu sein, wieder einmal so viel zu fühlen .
    Warum hatte sie diese Tür geöffnet?
    Und die weniger abstrakte und philosophische Frage: War Stewart Green wirklich wieder zurück?
    Nein. Sie konnte es sich zumindest nicht vorstellen. Oder vielleicht doch: Wenn sie innehielt und

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