Wer glaubt schon an Vampire? (German Edition)
einem lebenden Untoten gemacht. Trotzdem wurde er scheinbar verbrannt, denn sonst hätte es keine Asche von ihm gegeben. Wie passt nun ein zerstörter Körper zu einem lebenden Untoten? Ich dachte Vampire sind eine Art von Mensch und haben einen Körper, nur eben mit mehr Kraft und blutrünstigen Gelüsten.“
„Ja, du hast ja recht. Stellenweise sind diese Geschichten natürlich nicht mehr ganz so nachvollziehbar. Vor allem aber auch deswegen, weil die Menschen damals unter einem Untoten oder Vampir etwas anderes verstanden, als wir heute. Diese Wesen waren mehr Geister, hatten also keine Gestalt. Sie waren nur in der Lage, unter gewissen Umständen in die menschliche Realität einzubrechen. So konnten sie immer wieder ihren Blutdurst stillen, ohne je erkannt zu werden. Die Abstände zwischen diesen „Einbrüchen“ betragen meist Jahre und können von uns Menschen kaum als das erkannt werden, was sie sind: Serienmorde über die Jahrhunderte! Manchmal liegen zwischen den Blutorgien bis zu 50 Jahre. Und so wie es aussieht, war solch ein Blutopfer unser lieber Bibliothekar. Der Dschinn hat also nach Jahren der Enthaltsamkeit wieder einen Weg in unser Reich gefunden und wie es scheint ist er in ziemlichem Blutdurst.“
„Ist er jetzt ein Dschinn oder ein Vampir?“
„Ein Dschinn, nach damaligen Erkenntnissen, ein Vampir nach heutigen. Zumindest passt das besser zu dem ganzen Blutschmarrn.“
„Aha. Und der Bibliothekar ist ein Opfer von einem Vampir gewesen. Okay. Wird der dann selber zu einem? Und meinst du, es könnten noch mehr Opfer geben?“
„Vielleicht. Wenn wir von 50 Jahren ohne Nahrung ausgehen, kann es schon sein, dass er mehr als ein Opfer braucht. Und weil man keine Leiche gefunden hat, gehe ich davon aus, dass er nicht zum Vampir wird, weil er gefressen wurde.“
„Igitt! Das ist so ekelig! Der arme Mann!“ Emmi war richtig froh, dass sie bereits gegessen hatte. „Aber 50 Jahre! Kann ein Vampir wirklich so lange am Leben bleiben ohne zu essen?“
„Ja und nein. Dieser Untote hat auch die Möglichkeit auf subtilere Art von den Menschen zu profitieren. Er zapft ihre Gedanken und Träume an, lebt von ihrer Energie, ihren Gefühlen und wenn er von einem Wesen besonders fasziniert ist, saugt er es so lang aus, bis es in geistiger Umnachtung stirbt.“
„Jetzt hör‘ aber auf. Das klingt ja voll nach meinen Erlebnissen seit ich hier ...“
„Darum hab‘ ich mich auch nicht lustig gemacht über Deine Geschichten. Ich weiß, dass sie wahr sind und ich weiß, dass auch du einer Blutlinie entspringst, die für das Wesen interessant sein muss. Myrthe ... der Name ist mir von Anfang an bekannt vorgekommen. Habt Ihr in Eurer Familie Vorfahren in Portugal? Womöglich sogar im Zusammenhang mit den Templern?“
„Den Templern? Also ... nicht dass ich wüsste, aber wir haben auch keine Aufzeichnung über unseren Stammbaum. Zumindest hat mir mein Großvater nie einen gegeben.“
„Ist ja auch egal. Myrthe hatte irgendetwas mit den Templern zu tun. Entweder wurde der Name im Zusammenhang mit dem Orden selbst oder als deren größter Feind erwähnt.“
„ Uh , in dem Zusammenhang fällt mir ein, dass ich wieder von dem stinkenden Bastard geträumt habe. Du weißt schon ... der Entführer vom Schlachtfeld. Der hat mir im Traum sogar den Namen meines Bruders gesagt: Jakob Myrthe . Als hätte sich unser Familienname über die Jahrhunderte kein bisschen verändert! Und das Stärkste an der letzten Traumsequenz war, dass er mich angeblich zu seinen Brüdern nach Tomar verschleppen wollte.“
„ Tomar! Ja klar! Dort befindet sich die berühmt berüchtigte Templerburg Convento de Christo. Das muss es sein, Emmeline! 1159 erhielt der Orden der Tempelritter vom ersten portugiesischen König Dom Alfonso Henrique das Gebiet um Tomar ... als Dank für die erfolgreiche Heimkehr aus den Kreuzzügen. 1162 haben sie dann die Klosteranlage für ihre Zwecke umgebaut. Ich weiß, die Geschichte um die Templer ist sehr unterschiedlich interpretiert, aber ich kann dir nur sagen, dass dieses Convento de Christo eine sehr unheilvolle Atmosphäre hat. Ich war schon persönlich dort und bekomme noch eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke! Dabei ist es ein wunderschönes Gebäude.“
„Vielleicht sind dort viele, schlimme Dinge passiert.“
„Ja, vielleicht. Die Männer haben damals sicherlich eine Menge Grauen erlebt. Die Wahrheit über die Kreuzzüge kennen die Wenigsten und noch heute verschanzen sich viele
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