Wer hat Angst vor Beowulf?
an den Namen seines Chefs erinnern. Er war nicht einmal sicher, ob irgendein Mitarbeiter ihm gegenüber den Namen überhaupt jemals erwähnt hatte.
»Lassen Sie die Finger davon!« Der alte Knacker hatte noch schlechtere Laune als sonst. »Haben Sie mal einen Blick darauf geworfen?«
»Nein, bis jetzt hab ich’s mir nur flüchtig angesehen. Ich hatte gehofft, daß …«
»Legen Sie es irgendwohin und verschwinden Sie!«
»Ja, Mister …«
Da sowieso nicht mehr daran zu denken war, das Papier ordentlich auf einen Schreibtisch zu legen, ließ er den Rest kurzerhand aus den Armen gleiten und hastete davon.
»Und holen Sie mir Mister Olafsen, und zwar sofort!«
Der junge Mann blieb wie angewurzelt stehen; nur noch ein einziger Schritt bis zur Tür, und er wäre draußen gewesen!
»Ich bin mir nicht sicher, ob er sich überhaupt im Hause aufhält, Mister …«
»Ich hab Sie nicht gefragt, ob er sich irgendwo im Haus aufhält. Ich hab Ihnen gesagt, Sie sollen ihn holen!«
Dieses Mal schaffte es der junge Mann, nach draußen zu kommen. Irgend etwas an seinem neuen Arbeitgeber mochte er nicht, er hatte so etwas Bedrohliches an sich. Es war nicht so sehr die Angst vor einem drohenden Rausschmiß, vielmehr empfand er die im Betrieb herrschende Atmosphäre fast als eine körperliche Gefahr. Er erkundigte sich bei der Sekretärin von Mr. Olafsen, ob sie wisse, wo sich ihr Chef derzeit aufhalte.
Mr. Olafsen sei gerade in Tokio. Wo genau in Tokio, entziehe sich allerdings ihrer Kenntnis. Er sei dort zur Erledigung eines ungeheuer wichtigen Auftrags hingeschickt worden, und zwar mit der Order, das Geschäft auf keinen Fall platzen zu lassen. Bei einem Mißerfolg müsse er nämlich den firmeneigenen Grundsatz befolgen, sich den jeweils landesüblichen Geschäftsgepflogenheiten anzupassen, was in diesem Fall die logische Konsequenz nach sich ziehen würde, Harakiri zu begehen.
»Er hatte am Tag seiner Abreise entsetzlich miese Laune, noch schlimmer als sonst«, fuhr die Sekretärin fort. »Sie können ja unser Büro in Tokio anrufen. Ich weiß allerdings nicht, wie spät es dort jetzt ist. Möglicherweise rennen die alle schon auf dem Dach herum, liegen in der Falle oder treiben um diese Zeit wer weiß was. Aber vielleicht haben Sie ja Glück.«
Mit einer Reihe von Anrufen lokalisierte er Mr. Olafsen auf einem Golfplatz zu Füßen des Fuji, und dieser konnte mit seinem Arbeitgeber verbunden werden.
»Thorgeir, es gibt Probleme«, sagte der Chef. »Komm so schnell wie möglich zurück.«
»Kann das nicht warten? Wenn ich noch zwei Tage bleibe, werden wir mehr Halbleiter haben, als wir jemals gebrauchen können.«
»Nein, das kann nicht warten. Es handelt sich um ein Drachenproblem.«
»Die Verbindung ist entsetzlich. Hab ich dich richtig verstanden? Hast du gesagt …«
»Ich hab ›Drachenproblem‹ gesagt, Thorgeir.«
»Bin schon unterwegs.«
Erleichtert legte der Chef den Hörer auf. Demnächst Thorgeir Sturmhund an seiner Seite zu wissen, nahm ihm ein wenig von der Panik, von der er schon den ganzen Tag ergriffen war. Thorgeir besaß vielleicht keinen Mut, aber er war gescheit, und an seiner Loyalität gab es keinen Zweifel. Soviel jedenfalls stand fest: Der geringste Loyalitätsbruch, und Thorgeir würde in den Timberwolf zurückverwandelt werden, der er einst gewesen war, als ihn der Zaubererkönig in den Wäldern von Permia kennengelernt hatte. Wölfe können weder teure Anzüge tragen noch mit wirklichem Vergnügen Luxuslimousinen fahren, und Thorgeir schätzte mittlerweile diese Annehmlichkeiten des Lebens sehr.
»Warum zu diesem Zeitpunkt?« fragte sich der Zaubererkönig an diesem Morgen zum hundertstenmal. Durch dieses ständige Wiederholen schien sich die Frage irgendwann von selbst zu beantworten. Da war zum einen die Besonderheit der dreizehnten Generation, die endgültige Übereinstimmung von Hard- und Software, von der der Zaubererkönig am Anfang seiner Karriere im Schatten der Tannenbäume seiner Vorfahren nur vage geträumt hatte, als sich künstliche Intelligenz noch auf Steine mit menschlichen Stimmen und auf andere unterhaltsame Kunststücke beschränkte. Seither war ein langer Weg zurückgelegt worden, und er war dabei ein ganzes Stück vorangekommen. Keine irdische Macht konnte ihn aufhalten, zumal keine irdische Macht auch nur ansatzweise eine Vorstellung davon hatte, welche Bedrohung er für die Erde und deren Bevölkerung darstellte. Aber den Drachen und den König hatte er nie ganz
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