Wer hat Angst vor Jasper Jones?
nach Hause fahren?»
«Du bist ein Idiot.»
«
Du
bist ein Idiot! Ich habe euch
gesehen
! Ihr habt euch
geküsst
! Auf den
Mund
! Das ist widerlich!»
Ich muss lächeln.
«Du bist bloß neidisch.»
«
Neidisch?
Chuck, du bist wirklich noch viel dümmer, als du aussiehst. Ich bin der Held der Stadt! Ich habe gerade Geschichte geschrieben! Neidisch? Pfff! Auf keinen Fall. Warum sollte ich? Superman liegt nicht auf der faulen Haut und knutscht mit Lois Lane, er hat genug um die Ohren! Genau wie ich: Ich muss Cricketspiele retten!»
«Ich bin sicher, wenn Superman die Wahl hätte, würde er lieber ein Tuttelstündchen mit Lois Lane einlegen, als Kinder aus brennenden Gebäuden zu retten.» Ich grinse vor mich hin.
«Chuck!» Jeffrey stöhnt vor Empörung. «Himmelherrgott! Du bist wirklich nicht mehr normal. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich fühle mich verletzt. Du hast mich zutiefst gekränkt. Wenn du mir einen Scheißhaufen in einem Einmachglas überreichen würdest, wäre das weniger beleidigend als das, was du gerade gesagt hast. Das ist die reinste Blasphemie. Dschieses hasst dich, Charles. Das muss ich dir sagen.»
«Trotzdem stimmt es.»
«Bitte? Wie war das? Du bist also wirklich ein Kommunist? Dir hat jemand mit den Lippen das Hirn ausgesaugt, mein Freund. Du kannst nicht mehr klar denken. Der Mann von Morgen interessiert sich nicht für
Mädchen
. Das ist nun mal so. Es sei denn, sie sind in tödlicher Gefahr. Und selbst dann sind sie nur wertlose Staffage, während Lex Luthor dabei ist, die Herrschaft über die Freie Welt an sich zu reißen. Davon lässt sich ein Superman nicht ablenken. Er würde immer zuerst die Welt und dann Lois Lane retten. Und das ist auch gut so. Ich persönlich würde mir nicht mal die Mühe machen, mich hinterher um sie zu kümmern.»
«Du bist ja auch wahnsinnig.»
«Stimmt. Aber ich bin ein pragmatischer Wahnsinniger. Hör auf mich, Charles, dann kannst du vielleicht noch etwas lernen. Lois Lane macht mehr Ärger, als sie wert ist. Wie oft hat sie die Welt in Gefahr gebracht, nur weil sie wieder mal gerettet werden musste? Opfere sie für die Gemeinschaft, sage ich. Vergiss sie. Überlassen wir sie Luthor. Eigentlich sollte Superman sie selbst umlegen. Ihr eine ordentliche Anzahl Hitzeblicke verpassen. Peng! Schluss mit menschlichen Kalamitäten.»
«Du bist verrückt. Genau das ist der Grund, warum du kein Superheld bist.»
«Vielleicht, Chuck», stimmt Jeffrey mir zu. «Aber ich bin immer noch ein Volksheld.»
Lachend zockeln wir weiter. Ich nutze die Gelegenheit, um mich umzudrehen und zu Eliza zurückzuschauen. Sie ist immer noch dort. Das Mädchen mit einem Buch unter einem Baum. Ein überaus merkwürdiges, schwindelerregendes Gefühl überkommt mich. Ich bin voller Energie. Ich will gleichzeitig zu ihr hin- und von ihr wegrennen.
Jede Sekunde meines bisherigen Lebens habe ich mich als das glatte Gegenteil von Superman empfunden. Bis auf jetzt, bis auf diesen Moment. Mir ist alles egal. Ich fühle mich nicht wie ein schwacher, langweiliger Waschlappen. In diesem Augenblick weiß ich ganz genau, dass ich das Mädchen retten würde. Ich weiß, dass ich lieber den Planeten aufs Spiel setzen als riskieren würde, dass Eliza Wishart ein Leid geschieht. Ich würde sie auf der Stelle retten. Denn ich kann mir vorstellen, wie sie und ich uns irgendwo sicher und geborgen zusammenkuscheln, während die Welt bösen Plänen zum Opfer fällt, aber eine Welt ohne sie kann ich mir nicht vorstellen.
Ich lächele in mich hinein. Es ist mir scheißegal, dass ich nicht Superman bin. Ich habe Eliza Wishart geküsst.
Jeffrey lässt sich auf den Rücksitz fallen und rutscht in die Mitte. Ich sitze vorn.
«Hallo, Jeffrey. Meinen herzlichen Glückwunsch!», sagt mein Vater und betrachtet ihn im Rückspiegel.
«Haben Sie das Spiel gesehen?», will Jeffrey wissen.
«Nein, tut mir leid, mein Freund.» Dad senkt in gespieltem Bedauern den Kopf.
«Wie dumm!», erklärt Jeffrey. «Sie haben das Spiel Ihres Lebens verpasst! Es war wie David gegen Goliath, nur dass David diesmal ein Asiate war und unglaublich gut aussah. Und geschummelt wurde auch nicht. Stellen Sie das Radio an, wahrscheinlich berichten sie gerade über mich!»
Knirschend verlassen wir den Parkplatz und wirbeln blaugrauen Staub hinter uns auf. Ich schaue ein letztes Mal zu Eliza hinüber, die immer noch unter dem Baum sitzt. Ich meine sie winken zu sehen, also drehe ich mich zur Seite und hebe so diskret
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