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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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wie möglich die Hand. «Tuttelstündchen!», wispert Jeffrey vom Rücksitz. Ich würde ihn am liebsten aus dem Wagen werfen. Doch dann wende ich mich abrupt meinem Vater zu.
    «Moment. Woher wusstest du, dass Jeffrey das Spiel gewonnen hat, wenn du es gar nicht gesehen hast?»
    «Chuck, es ist so gut wie unmöglich,
nicht
von dem Spiel gehört zu haben», meint Jeffrey und beugt sich zwischen uns.
    «Ja, das Gefühl habe ich auch langsam», sage ich zu ihm.
    Dad lacht leise vor sich hin.
    «Ich bin Pete Wishart begegnet, als er nach Hause ging. Er war sehr beeindruckt von dir, Jeffrey. Er hat das zweite Innings vom Pavillon aus gesehen, auch wenn ich nicht genau sagen kann, wie viel er davon mitbekommen hat. Ich glaube nicht, dass er weit von der Theke fortgekommen ist. Er hatte einiges intus. Aber er war voller Superlative.»
    Ich bin entsetzt.
    «Moment, Elizas
Vater
war hier? Er hat zugesehen, meine ich? Bei Jeffrey?»
    «Richtig», sagt er. «Und keine Sorge, Charlie, sonst hat er nichts gesehen.»
    Hinter mir fängt Jeffrey an zu kichern.
    «Auch ein Volksheld kann aus einem fahrenden Fahrzeug fliegen, weißt du», erkläre ich über die Schulter. Doch das bringt ihn nur noch mehr zum Lachen. Ich drehe mich zu meinem Vater um, der mir augenzwinkernd zulächelt, wie er es schon lange nicht mehr getan hat. Als der Wind ein wenig Abkühlung durch die Fenster unseres ramponierten Holdens schickt und die Resthaarfrisur meines Vaters so wild durcheinanderwirbelt, dass ich schmunzeln muss, befehle ich mir, mich zu entspannen, lockerzulassen und es abzuhaken. Weil es Sommer ist. Weil Dad mich immer noch liebt. Weil Jeffrey Lu es der Stadt endlich heimgezahlt hat. Und weil Eliza Wishart sich vorgebeugt und mir geschenkt hat, wovon ich schon immer geträumt habe.

    Ich kann nichts essen. Ich bin zappelig und aufgewühlt. Lustlos schiebe ich mein Essen über den Teller und erzähle Jeffreys Heldengeschichte ohne die Dramatik und Spannung, die sie verdient. Meine Mutter hört mir ohnehin nicht zu.
    «Red nicht so viel. Iss lieber.» Sie schwenkt drohend den Zeigefinger vor meinem kalten Kartoffelbreiberg. Ich seufze. Ich kann wirklich nichts essen. Ich betrachte das farblose Pappzeug. Das ist doch kein Essen. Das ist die Schmiere, mit der man Mauern ausbessert oder rostige Rohre abdichtet. Und leider sind mir die halbwegs schmackhaften Beilagen ausgegangen, mit denen ich sie hätte vermischen können.
    Ich schaue zu meinem Dad hinüber, der meinen Blick ausdruckslos erwidert. Er hebt die Augenbrauen, und ich verstehe. Ich kippe alle möglichen Gewürze über die Putzmasse und würge sie klaglos und, so schnell es geht, herunter. Als sie verschwunden ist, weiß ich, dass er recht hat. Es ist wirklich einfacher so. Ich mache meiner Mutter sogar ein Kompliment über das Essen. In gewisser Weise fühlt es sich an wie ein Sieg.
    Als ich später mit meinem Becher gesüßtem Pablo-Kaffee in meinem Zimmer sitze, denke ich über meinen Vater nach. Es ist, als würden wir uns wieder auf Augenhöhe begegnen, als sei etwas ins Lot gekommen.
    Ich habe den Eindruck, als wisse er, dass ich in jener Nacht gelogen habe. Er ist kein Idiot. Er muss den Alkohol gerochen, muss gewusst haben, dass ich betrunken war. Außerdem muss er meine schmutzigen Klamotten und die roten Augen bemerkt haben. Und er hat mich nicht zum ersten Mal lügen sehen. Ich erinnere mich an das Stirnrunzeln, mit dem er zu mir herabsah. Ich glaube nicht, dass er mir auch nur eine Sekunde lang geglaubt hat.
    Dass er mich heute mit Eliza gesehen hat, könnte für ihn einen entscheidenden Teil meiner Geschichte bestätigt haben oder jedenfalls genug, um mir wieder zu vertrauen. Genug, um zu wissen, dass meine Lüge nicht ganz so unverschämt war, wie er vielleicht angenommen hatte. Dass ich mit meiner Geschichte vielleicht nicht die ganze Wahrheit erzählt habe, aber dennoch genug davon darin enthalten war.
    Ich wünschte, Jasper Jones würde heute Nacht vorbeikommen. Ich weiß nicht, warum, aber ich würde ihm gern von Eliza erzählen. Dass ich sie geküsst habe. Und dass sie mich geküsst hat.

    Er ist zweimal an mein Fenster gekommen, während ich zu Hause festsaß. Das erste Mal erschien er, wenige Tage nachdem es passiert war. Er kam spät in der Nacht und entschuldigte sich immer wieder. Im Flüsterton erzählte ich ihm, dass ich Hausarrest hätte und nicht nach draußen kommen könne. Jasper beteuerte immer wieder, wie leid es ihm tue und dass alles seine Schuld

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