Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
dürfen ihr Vieh nicht mehr schlachten, sondern müssen ihre Tiere bis zu deren Ableben auf der Weide halten. Das hängt damit zusammen, dass man Nutzvieh nur schlachten darf, um Gefahren abzuwehren oder um es zu essen. Essen darf man es nicht, weil die Höchstmengen überschritten wurden. Gefahr besteht natürlich auch keine, da im Fisch ein Vielfaches mehr enthalten sein darf als in einem Biorind.
Durch den Dioxin-Lärm in den deutschen Medien wurde die EU hellhörig und erwog, die Grenzwerte weiter zu senken, um sich so vor der Öffentlichkeit als Schutzpatron der Verbraucher zu präsentieren. Agrarexperten befürchten nun, dass dies langfristig zu einem Verbot der Freilandhaltung in Deutschland führen könnte – und damit auch zum Ende der Biolandwirtschaft in ihrer bekannten Form. Es sei denn, die Bauern füttern die Tiere im Stall und lassen sie nur mit Maulkorb auf die Weide.
Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung
Empört über die «finsteren Machenschaften krimineller Futtermittelpanscher», forderten die Medien von den Futtermittelhändlern Schadensersatz für die über 4000 Landwirte, deren Betriebe dank der Medienkampagnen geschlossen wurden. Der Bauernverband, der sich auf dem öffentlichen Parkett gern als dickfelliger, tapsiger Bär präsentiert, griff den Vorschlag dankbar auf und bezifferte die Verluste auf 100 Millionen Euro. Fürderhin sollten alle Futtermittel genau kontrolliert und nur mit Rückstandsanalysen gekauft und verkauft werden.
Was die Agrarfunktionäre natürlich nicht wissen konnten, war, dass die Landwirte selbst die wichtigsten Lieferanten der Futtermittelwirtschaft sind, denn von ihnen kommen letztlich die meisten der Rohstoffe, zum Beispiel Futtergetreide. Würde die Futtermittelwirtschaft beim Einkauf von ihnen jene Zertifikate verlangen, die die Landwirte ihrerseits von der Futtermittelwirtschaft fordern, dann hätten vor allem die Tierhalter den Schaden.
Ohnedies ist bereits ein massiver Schaden entstanden. Viele Familienbetriebe, deren Hof bereits zur Hälfte der Bank gehörte, arbeiteten durch den massiven Preisverfall bei Schlachtschweinen und Eiern endgültig für die Katz. Der Preisverfall war eine Folge der Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Sie hatten sich wiederum auf die Lügenbarone und -baronessen in den Redaktionen verlassen. Diese haben das böse Wort von der «Verseuchung» in Umlauf gebracht. Damit haben sie den Landwirten die Geschäfte ruiniert – und nicht so sehr einer vermeintlich kriminellen Futtermittelbranche, die den Umstand ja immerhin selbst aufgedeckt hat. 8 Durch die Futtermittelbranche wissen wir überhaupt erst von dem Vorfall.
Sind die über tausend Betriebe, die wegen Dioxin geschlossen werden mussten, etwa ohne Grund aus dem Verkehr gezogen worden? Im Prinzip ja. Hätte «bio» an der Stalltür gestanden, dann hätten sie vermutlich weitermachen können, denn korrekt mit Freilandfütterung erzeugte Eier enthalten genauso viel Dioxin wie die «verseuchte» konventionelle Ware, ohne dass sich irgendjemand darüber aufregt. Doch diesmal erzwang der Druck der Öffentlichkeit populistischen Aktionismus, um in Sachen Image noch zu retten, was zu retten war. Mit dem gleichen Recht könnte man auch alle Redaktionen vorsorglich schließen, die Falschmeldungen über Dioxine in der Nahrung verbreiten. Dabei ließen sich die GEZ -Gebühren sinnvoll verwenden, nämlich zur Entschädigung der Opfer. Dies wäre zugleich aktiver Verbraucherschutz.
Kurz gesagt …
Wer Angst vor Dioxin hat, sollte Produkte meiden, die recycelte Komponenten enthalten, wie Hautcremes mit Mischfettsäuren oder Müsli im Ökokarton, und sollte auch auf alle Zündeleien verzichten, die zu einer unverhältnismäßig hohen Belastung führen. Dazu gehört namentlich die Pelletheizung. Wer sich jedoch nicht so leicht ins Bockshorn jagen lässt, wird auch weiterhin entspannt ins Kaminfeuer statt in die Glotze blicken. Wie wär’s mit einem guten Buch, von Wilhelm Busch beispielsweise? «Das weiß ein jeder, wer’s auch sei, gesund und stärkend ist das Ei.»
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3 Von Schwänen, Schweinen und Schützern: Die Grippegewinnler
Es gab einmal eine Zeit, da schmetterten die Redaktionen angebotene Storys über Missbräuche und Skandale im Agrar- und Lebensmittelsektor reflexartig ab. Das Thema BSE beispielsweise, das die Fachwelt und die britischen Medien schon vor über 20 Jahren umtrieb, wurde damals mit der Bemerkung quittiert: «Was wollen
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