Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
vor dem Grippetod. Die Ankündigung von Präsident George W. Bush, für 1,4 Milliarden US -Dollar Tamiflu einzukaufen, wirkte wie eine Vitaminspritze für das Präparat, dessen Absatz zuvor arg geschwächelt hatte: Der globale Umsatz des Mittels verdreieinhalbfachte sich 2005 gegenüber dem Vorjahr.
Dass aus dem lahmen Gaul praktisch über Nacht ein Goldesel geworden war, dürfte wiederum den damals amtierenden US -Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gefreut haben, der bis 2001 im Aufsichtsrat von Gilead saß und auch zu den Hochzeiten der Vogelgrippe zu den Hauptaktionären des Unternehmens gehörte. Von Gilead nämlich hatte HoffRoche 1996 die Lizenz zur Herstellung von Tamiflu erworben, wofür es vertragsgemäß zehn Prozent seiner Tantiemen an den Biotechnologiekonzern abführen musste. Im Aufsichtsrat von Gilead war Rumsfeld keineswegs allein, denn damals saßen dort auch der frühere US -Staatssekretär George Shultz, der Bush-Wahlberater Etienne Davignon sowie mehrere Mitglieder des Verteidigungsausschusses – eigentlich hätte man die Kabinettssitzungen gleich im Sitzungsraum von Gilead abhalten können. 3,13,16,18
Aber nicht nur die USA horteten Tamiflu in Milliardenwert, auch die deutsche Bundesregierung orderte nach den ersten Antikörper-Nachweisen in Deutschland im Frühjahr 2006 das Präparat in großem Stil. Und während auf der einen Seite in den Medien laut darüber geklagt wurde, dass nicht genügend Tamiflu für alle da sei, gaben Journalisten und Politiker auf der anderen Seite zu, «privat vorgesorgt» zu haben, sprich, das verschreibungspflichtige Tamiflu im Kühlschrank zu bunkern. 25 Wie meinte doch Napoleon, das Oberschwein in Orwells ‹Farm der Tiere›, so richtig: «Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.»
Während die mediale Empörung über die putative Versorgungslücke der Bevölkerung mit Tamiflu groß war, kümmerte sich kaum ein Journalist um die Frage, wie es eigentlich um die Wirksamkeit des so begehrten Grippemittels bestellt war. Dabei hätte schon ein Blick auf die Internetseite von La Roche genügt: Danach kann Tamiflu die Krankheitsdauer einer «normalen» Virusgrippe lediglich um durchschnittlich 1,3 Tage abkürzen. Bei einer Grippe, deren «Ende» wohl kaum jemand auf einen Tag genau angeben kann, ein höchst fragwürdiger Therapieerfolg. Und damit nicht genug: Kurz darauf wiesen MedWatch (Informationsdienst der US -amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA ) und die Roche Laboratories Inc. die Ärzteschaft auf potenzielle neuropsychiatrische Risiken hin. Danach besteht besonders für Kinder und Jugendliche bei Tamiflu-Einnahme eine erhöhte Gefahr von Selbstverletzungen bis hin zum Suizid. 28
Dass Tamiflu weitgehend wirkungslos und unter Umständen schlimmere Symptome als die Krankheit hervorrufen kann, gegen die es eingesetzt wird, war jedoch weder für Gesundheitspolitiker noch Medien ein Thema; die Öffentlichkeit erfuhr nichts darüber.
Zugvögeleien
Ebenso umstritten wie die Wirksamkeit von Tamiflu ist in der Fachwelt der Ursprung der Vogelgrippe. Verfolgte man die Berichte in den Medien, so drängte sich der Eindruck auf, alle offiziellen Stellen seien sich einig, dass Zugvögel aus Asien für die Vogelgrippe auf Rügen verantwortlich sind. Die sogenannte Zugvogelhypothese des Friedrich-Loeffler-Instituts ist von verblüffender Schlichtheit. 21 Schon die meisten Grundschulkinder wissen, dass Zugvögel in der Regel nicht von Ost nach West fliegen und ganz bestimmt nicht von Thailand nach Deutschland. Und sie wissen auch, dass Zugvögel für ihre Wanderungen nicht den tiefsten Winter wählen.
Wer ernsthaft behauptet, todkrankes Federvieh hätte seine angestammte Heimat verlassen, um im Januar um den halben Globus ins unwirtliche Rügen zu jetten und, dort angekommen, mit den Schwänen zu kuscheln, bis sie die Seuche bekommen, dem dürfte auch der Glauben an Osterhasen und Wolpertinger nicht fremd sein. Auffällig ist hingegen, dass eine Ausbreitungslinie der Vogelgrippe erstaunlich genau dem Verlauf der Transsibirischen Eisenbahn folgte. Demnach wäre die Ausbreitung durch den Transport von Nutzgeflügel entlang der Schienen erfolgt, also durch eine ganz andere Art von «Zugvögeln».
Und in Deutschland? Die berühmten Höckerschwäne, in denen das Friedrich-Loeffler-Institut am 15. Februar 2006 H5N1 nachgewiesen hatte, sind Standortvögel. Wie sie sich angesteckt haben sollen, ist schleierhaft. Oder vielleicht doch nicht? Im Institut auf der
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