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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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Die Samen des Kreuzkrauts bleiben immerhin etwa ein Vierteljahrhundert keimfähig. 27
    Ein herrliches Biotop bieten Viehweiden, die an Pferdefreunde verpachtet wurden. Auf einer beschädigten Grasnarbe findet das Kreuzkraut ideale Keimbedingungen vor. Und wenn es sich auf ökologisch bewirtschafteten Flächen breitgemacht hat, bleibt den Biobauern wegen des Herbizidverbots nur übrig, die Pflanzen in mühevoller Kleinarbeit mit Stumpf und Stiel durch Wanderarbeiter ausreißen zu lassen – und das Jahr für Jahr. Häufiges und frühes Mähen bringt nichts, je häufiger die Pflanzen geschnitten werden, desto länger leben sie. Daher gestattet man Landwirten, die Flächen extensiv nutzen, um deren Artenvielfalt zu erhöhen, per Sondergenehmigung «chemische» Herbizide gegen das Kreuzkraut einzusetzen. 27 Nun ist man im Naturschutz also dort angelangt, wo man nie hinwollte: Naturlandschaft dank Pestiziden!
    Die Ökologie des Horrors
    Auch der Klimawandel muss herhalten, wenn das Unkraut mal zu sehr ins Kraut schießt. Ein aktuelles Beispiel ist das nordamerikanische Traubenkraut (
Ambrosia artemisiifolia
), ein entfernter Verwandter des Jakobs-Kreuzkrauts.
Ambrosia
gelangte schon vor hundertfünfzig Jahren als Unkrautsamen im Getreide aus seiner Heimat in europäische Hafenstädte wie Hamburg. Im Binnenland wurde es vor allem per Vogelfutter in den Speckgürteln der Großstädte verbreitet. Ins Visier der Öffentlichkeit geriet es, als man seine allergene Potenz erkannte. Und damit taugte es für eine Schlagzeile: «Kampfeinsatz gegen das Horrorkraut» – «im Zuge des Klimawandels quält
Ambrosia
nun auch Hamburgs Allergiker».
    Bislang breitete sich das Kraut vor allem in den wärmeren Regionen Europas aus, in Südfrankreich beispielsweise. Doch die Klimaerwärmung, so unkte die Hamburger Boulevard-Presse, könne dazu führen, dass das «Horrorkraut» schon bald auch die Hansestadt im dann nicht mehr ganz so kühlen Norden überwuchere. Dabei hat das Kraut in unseren Breiten eigentlich gar keine Chance. Denn im kühlen Frühling bleibt es stark im Wachstum zurück. Dann überwuchern die heimischen Pflanzen, die ja an dieses Klima angepasst sind, die
Ambrosia
-Keimlinge, und das Thema Horrorkraut hat sich weitgehend erledigt – es sei denn, man vernichtet die Kontrahenten mit Totalherbiziden. Nur dann hat das Unkraut freie Bahn. Genau das tat man – natürlich den Allergikern zuliebe. Hätte man die Flächen einfach nur sich selbst überlassen, statt sie totzuspritzen, wäre seine Invasion gescheitert. 33 Hier ist es also genau umgekehrt wie beim Kreuzkraut: Diesmal fördern die Herbizide die Verbreitung des Unkrautes.
    Im Jahr 1961 mokierte sich daher der amerikanische Ökologe Frank E. Egler: «Ab und zu bekomme ich Forschungsvorhaben zur Unkrautbekämpfung vorgelegt. Nahezu alle enthalten Untervorhaben zur Ökologie von
Ambrosia
, und die streiche ich mit schöner Regelmäßigkeit durch und schlage vor, die Mittel stattdessen zur Fortbildung zu verwenden – weil Ökologen nämlich bereits alles wissen, was man für die Bekämpfung des Traubenkrauts wissen muss. Es irritiert mich … zu sehen, wie die Leute phantastische Summen Geldes ausgeben wollen für etwas, was man … in ein paar Stunden in jeder guten Bibliothek in Erfahrung bringen könnte.» 9,33 Wohlgemerkt: in einer Bibliothek, und nicht in den Medien.

Vogelfreie Biokirschen
    Kein Wunder, wenn die Wirkung der alternativen und biologischen Mittelchen vielfach nur mangelhaft ist. Die Schwarze Kirschenlaus, die Kirschenfliege oder der Birnenblattsauger sind aber ohne wirksame Insektizide nicht zu beherrschen. Um fürderhin nicht mehr auf den Kirschenanbau verzichten zu müssen, beschreiten unsere Biobauern mittlerweile neue Wege, die sie dem Kunden aber wohlweislich verschweigen. Da werden ganze Plantagen mit Kirsch-Niederstämmen mit Folien und Gaze umspannt und so hermetisch vom Ökosystem abgeriegelt.
    Das hält viele Probleme außen vor. Das Plastikdach verhindert, dass die Blüten verregnen und die vom Wind verbreiteten Sporen der Moniliafäule darin auskeimen können. Die Netze an der Seite verwehren fliegenden Insekten den Zutritt. Aber nicht nur diesen. Sie halten auch die verfressene Vogelwelt zuverlässig von den Öko-Plantagen fern. Die müssen sich dann halt bei den konventionellen Betrieben ihr Futter suchen … Ob sich die Käufer von Bio-Obst den umweltfreundlichen Anbau so vorgestellt haben? Wo doch die Szene jahrelang darüber

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