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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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unangenehmen Unterschied zwischen biologischen und chemisch-synthetischen Pestiziden. Das Chemiezeug wird allmählich in der Umwelt abgebaut und ist eines schönen Tages auf Nimmerwiedersehen verschwunden – einmal abgesehen von Schwermetallen wie Kupfer. Organismen zur biologischen Schädlingsbekämpfung, egal ob Bakterien oder Marienkäfer, können sich vermehren – sie sind dann, um die Sprache der Biopropagandisten zu verwenden, «nicht mehr rückholbar». Alles, was sich vermehren und evolutionär anpassen kann, egal ob als Nützling oder als Bazille, kann sich daher auch zu einem Umweltproblem von globalem Ausmaß auswachsen. Auch dort, wo es niemals zum Einsatz kam. Mikrobielle Präparate als biologischen, sprich naturgewollten Pflanzenschutz einzusetzen, wird so zu einem Spiel mit dem Feuer.
    Das Kreuz mit den Kreuzkräutern
    Was falsch verstandenes Ökobewusstsein anzurichten vermag, zeigen eindringlich Giftkräuter, die bislang keine nennenswerten Probleme bereiteten, nun aber vehement Äcker und Weiden erobern. Seit der Jahrtausendwende hat sich das Jakobs-Kreuzkraut ( JKK ) explosionsartig in großen Teilen Deutschlands ausgebreitet, vorzugsweise entlang der Straßenränder und Böschungen und auf schlecht gepflegten Weiden. Selbst in Städten ist es mittlerweile ein gewohnter Anblick.
    Tierärzte berichten über immer mehr Vergiftungen und Todesfälle bei Pferden und Rindern, die das Kraut gefressen haben. Besonders heimtückisch ist, dass bis zu sieben Wochen alte Jungpflanzen zwar schon Gift enthalten, aber noch keine Bitterstoffe aufweisen und daher vom Vieh nicht verschmäht werden. Und im Heu werden zwar die Bitterstoffe abgebaut, die toxischen Pyrrolizidine jedoch nicht. Dasselbe gilt für Silage, die man bei einer Verunreinigung mit diesen «Kräutern» tunlichst nicht verfüttert. 27
    Zwar knabbert der Mensch kein Jakobs-Kreuzkraut an, dennoch stellt es eine Gefahr für ihn dar. Pyrrolizidinalkaloide reichern sich nämlich in der Milch, der Leber und den Nieren des Schlachtviehs an. Inzwischen wurden erste Vergiftungsfälle beim Menschen dokumentiert. Brisant ist, dass das Vieh auch auf kreuzkrautfreien Weiden nicht vor dem Gift sicher ist, denn auch wenn es nur den Bahndamm oder Straßenrand «naturnah» verschönert, bekommen die Tiere ihre Dosis ab. Kreuzkrautsamen werden ja nach Art der Pusteblume vom Winde verweht. So gelangt die alkaloidhaltige Saat ins frisch gemähte Heu und damit ins Viehfutter.
    Auch die Belastung von Lebensmitteln wie Honig wird steigen, da der pyrrolizidinhaltige Nektar des Jakobs-Kreuzkrautes gern von Bienen gesammelt wird. In Greiskrauthonigen wurden schon knapp drei bzw. knapp vier Gramm Pyrrolizidinalkaloide pro Kilo nachgewiesen! 4, 7, 8 Nach einem 500-Gramm-Glas ist die Leber endgültig kaputt. Als unbedenklich gilt 1 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht am Tag. 2 Im Vergleich zu handelsüblichen Pestiziden sind Pyrrolizidine also Ultragifte! Je mehr Jakobs-Kreuzkraut die Wegränder ziert, desto mehr gelangt davon auch in die Mischhonige, die gesunde Alternative zum «schädlichen Industriezucker».
    Unkraut vergeht nicht …
    Wie kam es überhaupt zu der Invasion des Kreuzkrauts? Dazu das
Hessische
Ärzteblatt
: «Gründe dafür sind allgemeine Unkenntnis, Verharmlosung der Giftigkeit, extensiv genutzte Flächen, Brachen (durch staatliche Vorgaben geforderte Stilllegungsflächen), ungenügende Weidepflege (u.a. auch bei Betreuung durch private Tierhalter), chemisch nicht behandelbares Bioland und der Einsatz von JKK -haltigem Saatgut durch öffentliche Stellen im Straßenbegleitgrün. … Durch die explosionsartige Vermehrung des JKK besteht dringend Handlungsbedarf … Um Missverständnissen vorzubeugen: es sollte nicht Ansinnen sein, diese Pflanze auszurotten …, aber in Viehhaltung und Agrikultur hat sie nichts zu suchen.» 20
    Sobald der Mensch Ökosysteme verändert, sei es, dass er Flächen brachliegen lässt oder anders bewirtschaftet, schafft er natürlich neue ökologische Nischen. Es ist ebenso naiv wie anthropozentrisch, anzunehmen, dass sich dann auf naturbelassenen Biotopen schon alles «zum Guten» wendet und dass nach kurzer Zeit wieder die alte Artenvielfalt zur Blüte gelangt. Zuerst schlägt die Stunde der Pionierarten, und dazu gehört auch das Jakobs-Kreuzkraut: Es ist anspruchslos, und es vermehrt sich üppig. Schon bald bildet es dichte Bestände, die Grünfläche verwildert. Einmal angekommen, wird man es so schnell nicht mehr los.

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