Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
auch schon in jenen Behörden, die sich der Aufklärung der Bevölkerung widmen. Ein unrühmliches Beispiel lieferte die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. 1 Während des EHEC -Skandals offerierte sie ein Merkblatt im Internet, das zu Eigenproduktion und Rohverzehr von Sprossen riet: dies würde nämlich die «Abwehrkräfte» stärken. Dazu solle man die Samen im «lauwarmen Wasser einweichen». Eine «gute Luftzufuhr» würde vor «Schimmelpilzen» schützen. 1 Nicht nur «Rauchen kann tödlich sein» – Verbraucheraufklärung tut’s zur Not auch.
Rohkost ist nicht gesund, sondern lediglich essbar – so wie Austern oder frisches Mett auch. In China ist man sich dessen seit langem bewusst, dort kommen Soja- und Mungbohnensprossen nur in erhitzter Form auf den Tisch. Lebensmittelinfektionen sind mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. In den USA wird von jährlich knapp zehn Millionen Infektionen gesprochen. Hiervon mussten 56000 im Krankenhaus behandelt werden. Dennoch versterben Jahr für Jahr weit über 1000 Patienten. 15 Für Deutschland fehlen vergleichbare Daten. Dafür erfahren wir stets aufs Neue, dass irgendwelche Spuren von Rückständen von Pestiziden auf Paprikapulver gefunden wurden …
«Boil it, peel it, or forget it»
Die vielen vermeintlichen gesundheitlichen Vorteile von «frischem Obst und Gemüse» ließen sich in rigorosen prospektiven Studien ausnahmslos nicht bestätigen. Um wenigstens die 5-am-Tag-Kampagne (5 Portionen Obst oder Gemüse) mit wissenschaftlichen Belegen zu untermauern, wurde in der EU vor über 20 Jahren die größte Ernährungsstudie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, EPIC ) initiiert, die jemals in Europa durchgeführt wurde – mit insgesamt einer halben Million Teilnehmern. Im Jahr 2000 wurde sie abgeschlossen und ihre Ergebnisse dann zehn Jahre unter Verschluss gehalten. Die nun vorliegende Gesamtauswertung zeigte die Nutzlosigkeit von Obst und Gemüse zur Vorbeugung von Krebs. Da Angaben zur Gesamtmortalität fehlen, ist das Ergebnis auch in Hinblick auf andere Krankheiten mutmaßlich kein Ruhmesblatt für die Ernährungsmedizin. 6
Jahrelang haben «Ernährungsaufklärer» versucht, bereits kleinen Kindern beizubiegen, möglichst viel Obst und Gemüse in rohem Zustand zu verzehren. Das absolute Highlight waren exotische Früchte – frisch und saftig, möglichst aus der unberührten Natur. Im Urlaub müssen sie später lernen, die gleichen Früchte direkt vom Erzeuger nicht einfach so zu verspeisen – schließlich können sie abenteuerliche Krankheiten übertragen. Da gilt die gute englische Regel:
«Boil it, peel it, or forget it» (Koche es, schäle es oder vergiss es!).
Wenn dann die Plantagen noch mit den ungeklärten Abwässern eines nahegelegenen Krankenhauses sowohl bewässert als auch gleichzeitig gedüngt werden, dann sollte sich der Obstfreund nicht wundern, wenn der Hausarzt seine interessante Krankheit nicht einmal dem Namen nach kennt.
Ungeniert verteilen diplomierte Diätberaterinnen in Kindergärten unterdessen große Rohkostplatten, von denen sich die Kleinen mit den Fingern bedienen sollen. Möglichst «bio», weil der Biobauer nicht mit chemischem Kunstdünger hantieren darf und deshalb darauf angewiesen ist, Naturdünger wie Mist und Gülle auf seinem Gemüsebeet zu verteilen. Und da unsere Biobauern stets unter einem Mangel an betriebseigenen Fäkalien leiden, wird Guano – Vogel- oder Fledermauskot – rund um den Globus nach Deutschland verfrachtet. Wir wollen lieber nicht wissen, was da alles an Seuchen eingeschleppt werden kann.
Wer frischen Salat essen will, mag das gerne tun, ihn aber nicht anderen, namentlich Schutzbefohlenen, als «gesund» aufdrängen. Es ist ein Unterschied, ob ein kleiner Salatteller zum Schnitzel gereicht wird, Gärtner ihre ersten, frisch geernteten jungen Karotten und zarten Kohlrabi als Spezialität roh genießen oder grüne Salate ganzjährig die Hauptmahlzeit ersetzen. Je mehr Rohkost auf einmal gegessen wird, desto leichter fängt man sich etwas ein, desto größer ist die Gefahr, die infektiöse Dosis an Keimen zu erreichen. Es ist sicher kein Zufall, dass vor allem junge Frauen an EHEC erkrankten. 14
Dass der Verzehr von Rohkost in der westlichen Welt in der Vergangenheit nicht schon zu weit mehr Infektionen geführt hat, verdanken wir nur unserem vergleichsweise hohen Hygienestandard. Dennoch bleiben «Restrisiken». Wer zum Skifahren geht, weiß, dass
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