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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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meist so sehr beschäftigt waren in ihren Redaktionsstuben, Rundfunkanstalten und Fernsehstudios, dass sie einfach die Zeit nicht fanden, sich einmal in Ruhe an den Schreibtisch zu setzen, um endlich zu beginnen. Eine Ausrede, die für van Harm jetzt leider weggefallen war. Perdu .)
    Aber statt Constanzes klugem Rat zu folgen, beharrte van Harm darauf, arbeitslos zu sein. Schließlich war er entlassen worden. Aus Profitmaximierungsgründen. Auf Anraten des internationalen Betriebsprüferabschaums.
    Von einem auf den anderen Tag hörte van Harm auf, täglich für die Familie zu kochen und sah stattdessen noch mehr fern als vorher, ohne sich weiterhin komplizierte Rechtfertigungen für sich selbst beziehungsweise für Constanze auszudenken.
    Wenn jetzt eines der Kinder in sein Arbeitszimmer kam, von Constanze geschickt, um verstockt und unnatürlich gezwungen nach seinem Befinden zu fragen, nach seiner Arbeit und seinen Zukunftsplänen, klickte er das Solitärspiel auf seinem Notebookbildschirm nicht mal mehr weg, wie er es früher immer getan hatte, sondern sortierte einfach weiter die Karten, bis das Kind wieder hinausgegangen war. Es war ohnehin nicht zu übersehen, dass Janne und Erik die Nase über ihn rümpften, dass auch jene letzte Achtung schwand, die bislang seiner konservativen, korrekten Kleidung geschuldet gewesen war und der Tatsache, dass die Eltern ihrer Schulfreunde durchaus etwas mit seinem Namen anzufangen gewusst hatten.
    Dafür hockten die Kinder jetzt oft mit Constanze am Birnenholzküchentisch zusammen. Kai hörte in seinem Arbeitszimmer, wie sie tuschelten, wahrscheinlich über ihn. Wenn er dann in die Küche kam, um eine Kopfschmerztablette zu nehmen, um sich ein neues Glas Wein einzuschenken oder um sich, auf den Umweg eines Tellers verzichtend, direkt aus dem Kühlschrank drei, vier Scheiben Parmaschinken auf einmal in den Mund zu stopfen, verstummten sie, verfolgten jedoch mit Argusaugen jede seiner Bewegungen und begannen erst weiter zu raunen und zu flüstern, wenn sie sich sicher waren, dass er wieder in seinem Zimmer saß und auf seinem Notebook die elektronischen Spielkarten ordnete.
    Ende November, noch bevor sie die Weihnachtsdekoration in der Wohnung verteilt hatte, stellte Constanze ihm ein Ultimatum. Sagte, sie gebe ihm zwei Wochen Zeit, aus sich einen normalen Menschen zu machen: rasiert, gekämmt, gebügelt. Der nicht nur seinen vernachlässigten Haushaltspflichten wenigstens zum Teil wieder nachkomme, wie dem Einkaufen und Kochen. Der das benutzte Geschirr in die Spülmaschine räume, statt auf der Anrichte wacklige Türme daraus zu errichten. Was, nebenbei bemerkt, bedeutend aufwendiger sei und entsprechend mehr Energie verschlinge. Der seine Vaterrolle wieder aufnehme. Der wieder Vorbild werde, Vertrauter und Freund seiner Kinder, die in der schwierigsten Zeit ihres bisherigen Lebens steckten und Zuneigung bräuchten, auch wenn es nicht unbedingt danach aussehe. Und so weiter. Und so fort.
    Vermutlich hatte Constanze gehofft, ihn mit ihrem emotional überschäumenden Vortrag wachzurütteln und auf diese Art der gesamten Familie die Adventszeit zu retten. Und das Weihnachtsfest. Und Silvester gleich noch mit. Vielleicht hegte sie ja die Hoffnung, dass Kai sich etwas vornehmen würde für das neue Jahr. Silvester war ja immer so ein magischer Tag. Weniger zu trinken beispielsweise oder sich um seinen Status als Freiberufler zu kümmern. Und ihn schlussendlich auch zu erlangen.
    Aber da war das Verhängnis schon längst im Gange, folgte mit nicht nachvollziehbarer Logik seinem eigenen zerstörerischen Gesetz. Unaufhaltsam wie eine Kettenreaktion. Und in der Mitte des Schlamassels saß er: van Harm.
    Kai nahm Constanzes Ultimatum entgegen – sie hatte vor lauter Aufregung vergessen zu sagen, was die Konsequenzen wären, würde er ihren Forderungen nicht nachkommen –, scheinbar ruhig, aber innerlich so aufgewühlt wie lange nicht mehr.
    So sehr, dass er sich bereits am nächsten Tag rasierte. Ein frisch gebügeltes Hemd anzog, einen anthrazitfarbenen Anzug, seinen italienischen Mantel. Und als er aus der Tür trat, in das feuchtkalte Novemberwetter, trug er zum ersten Mal seit Langem wieder die Aktentasche mit dem Notebook unter dem Arm, obwohl er es nicht benötigte.
    Zielstrebig wie einst, mit ausholendem, festem, ja herrischem Schritt, eilte er der nächstgelegenen Filiale eines jener Halsabschneider entgegen, dessen Dienste er nun benötigte, um der Drohung von Constanzes

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