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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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gewichen, die bürgerliche Fassade aufrechtzuerhalten. Weiterhin den Anschein zu erwecken, einer nützlichen Tätigkeit nachzugehen, von deren Honorar sich Wohnungsraten und freilaufende brandenburgische Lammkoteletts bezahlen ließen.
    Van Harm, bevor er sich dann im Herbst so gut wie gar nicht mehr aus dem Haus bewegte, gewöhnte sich an, die paar Schritte bis zum Wochenmarkt in seinen Filzpantoffeln zurückzulegen. Auf Anzüge und gebügelte Hemden verzichtete er vollkommen und über den einen oder anderen Fleck auf Sweatshirt oder Jeans sah er großzügig hinweg, wollte er nur schnell ein paar Oliven bei Herrn Bigül kaufen oder im Bioladen ein gelbfleischiges Huhn.
    Constanze hatte nämlich gesagt, ihre Abgeordnetenbezüge zusammen mit seinem Arbeitslosengeld seien mehr als ausreichend, um den alten, ökologisch bewussten Lebensstil weiterführen zu können, ohne sich in anderen Bereichen einschränken zu müssen. Sie hätte sogar über die Jahre ihrer gemeinsamen Doppelverdienerschaft ein erkleckliches Sümmchen angespart. Wovon sie Kai nur deshalb nichts erzählt habe, weil er sich in seiner Weltfremdheit – und das meine sie in diesem Falle durchaus als Kompliment – nie für so triviale Dinge wie Geld, Zinsen, Anlageformen interessiert hätte. Er wäre mit Sicherheit über die Größe der Summe erstaunt, wenn Constanze sie ihm mitteilen würde. Was sie aber nicht täte. Nur um ihm die Sorgen zu nehmen, hätte sie überhaupt von dem Konto zu sprechen begonnen.
    Ein geheimes Konto also komplettierte ihren Besitzstand. Der aus der zur Hälfte abbezahlten Wohnung bestand. Aus dem Bauernhaus am Oderbruch. Aus Constanzes normalem Konto. Aus van Harms Konto, das durchaus nicht leer gewesen war, als das Amt begann, ihm das Arbeitslosengeld zu überweisen. Aus dem Volvo vor der Tür, den nur Constanze benutzte, weil van Harm, seit er in den Achtzigern den Führerschein gemacht hatte, nie wieder selbst einen Wagen gefahren war. Er hatte eine geradezu irrationale Angst vor diesen Höllengefährten , wie er sie insgeheim nannte, entwickelt, und wenn er etwa mit Constanze zusammen aufs Land hinausfuhr, auf ihren Bauernhof zum Beispiel oder gelegentlich einmal an die Ostsee, krampfte er sich einen großen Teil der Fahrt über im Sitzpolster fest. Längere Touren ertrug er überhaupt nur, wenn er sich schon vorher, natürlich ohne dass Constanze es mitbekam, einen hinter die Binde gekippt hatte. Ihm wurde dann immer zusätzlich ganz übel von den Pfefferminzpastillen, die er gegen die Schnapsfahne lutschte. Sogar Flachmänner hatte van Harm schon zu Autofahrten mitgenommen. Und warmen Champagner, um dann an irgendeinem Straßenrand so zu tun, als wolle er Constanze damit überraschen. Sogar ein Jubiläum hatte er sich zu dieser Gelegenheit aus den Fingern gesaugt. Und dann, als Constanze wie erwartet nichts trinken wollte, weil sie fahren musste und weil es außerdem noch nicht mal Mittag war, die gesamte Literflasche alleine austrinken dürfen. Wie geplant.
    Kam noch der Besitz seiner Eltern hinzu, der ihnen auch noch, wenn alles normal lief, das heißt, wenn alle in der richtigen Reihenfolge starben, eines Tages zufiel: Das Haus, Bargeld, ein wenig altbackene Kunst, vermutlich ein Aktiendepot, ein Immobilienfonds. Seine Eltern hatten Ausbildungsversicherungen für Janne und Erik abgeschlossen, die zum achtzehnten Geburtstag der Kinder zur Auszahlung kommen würden. Schon um das Gesicht vor Constanzes Eltern, die ein ähnliches Arrangement getroffen hatten, nicht zu verlieren, würden die Beträge entsprechend hoch ausfallen.
    Mit einem Wort: Ihnen ging es trotz Kais Arbeitslosigkeit gut. Blendend eigentlich. Und vielleicht hätte er auf Constanzes Rat hören und sich selbst in den Status eines freiberuflichen Journalisten versetzen sollen. Sie hatte sogar angeboten, den ganzen Papierkram, der dafür nötig war, für ihn zu erledigen. Dann könne er in aller Ruhe an Themen arbeiten, die ihn wirklich interessierten und die Artikel ohne Not und materiellen Druck anbieten. Oder ein Buch schreiben. Das habe er doch schon immer gewollt.
    (Was gar nicht stimmte. Was van Harm nur behauptet hatte, weil alle Kulturteil-Kollegen, die er kannte, dies ebenfalls behaupteten. Das gehörte irgendwie zu ihrem inoffiziellen Berufscodex. Mit dieser Behauptung wollten sie der Welt, die das im Übrigen nicht interessierte, beweisen, dass sie nicht nur fremde Bücher madig machen konnten, sondern auch selbst welche schreiben. Nur dass sie

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