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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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Rechten auf der Etage war beispielsweise Arzthelferin, seine Nachbarin zur Linken studierte Biologie. Beide waren sie Mitte zwanzig.
    Die eine adrett, perfekt frisiert, pinkfarbene Strähnchen im messerscharf geschnittenen Kurzhaar, gezupfte Augenbrauen, kleine Tätowierung am Fußknöchel: die Fee Naseweis aus dem Peter-Pan-Trickfilm, den er früher manchmal mit Janne zusammen angesehen hatte, als sie noch fünf Minuten am Stück still sitzen konnte. Nachgedunkelter Teint, stets duftend, immer gut gelaunt bis zur Schmerzgrenze. Und so stark berlinernd, dass van Harm, obwohl er selbst in der Stadt geboren war, quasi die Ohren bluteten, wenn sie bei ihm klingelte, um sich Eier, Salz, Senf, Mehl, Spaghetti, Brot, Butter, Spül-und Waschmittel oder einfach eine Flasche Mineralwasser zu borgen, und ihn dann zwischen Tür und Angel in einen halbstündigen Plausch verwickelte, der sich um alles und nichts drehte.
    Die andere unmittelbare Nachbarin, die Studentin zu seiner Linken, von eher dezentem, zufälligem Schick, dunkel gekleidet in wertvolle, schwere Stoffe, straffer Pferdeschwanz, artig grüßend, war eine sympathische Tochter aus der süddeutschen Provinz. Und wann immer van Harm ihr im Treppenhaus begegnete, schickte er ein heimliches Stoßgebet gen Himmel, dass seine eigene Tochter Janne, wenn sie eines Tages die Höllenkreise der Pubertät durchschritten hätte, ihr auch nur zu einem Drittel ähneln möge. Besser noch zur Hälfte.
    Das Haus, in dem van Harm seit Januar in zwei nicht allzu geräumigen Zimmern zur Miete wohnte, sah von außen nicht weniger bürgerlich aus als jenes am Kreuzberger Kanalufer, das er verlassen hatte. Es war ockerfarben statt weiß und hatte statt eines glatten Verputzes einen rauen, in dessen Klüften und Unebenheiten sich eine sichtbare Schicht aus Staub und Ruß angelagert hatte. Es besaß keinen Vorgarten, und es standen keine Bäume davor, so wie es in der ganzen Straße keine Bäume gab, überhaupt: gar kein Grün.
    In Neukölln liefen die Leute herum, die in seinem alten Kreuzberger Kiez bettelnd vor den Supermarkttüren gekauert hatten. Von Jahr zu Jahr waren es mehr geworden. An manchen warmen Tagen hatten sie in Reihe vor dem Eingang gesessen. So dass van Harm unweigerlich die Dreigroschenoper in den Sinn gekommen war.
    Van Harm, der stets ein wenig gegeben hatte – wenn er guter Laune war, sogar einen vollen Euro –, hatte sich immer gefragt, aus welchen Löchern all diese abgerissenen Typen mit ihrem gesenkten Blick und ihren leeren Kaffeebechern aus Pappe gekrochen waren und mehr noch, wo sie hingingen, wenn der Supermarkt schloss. Und hier kamen ihm diese Leute plötzlich auf der Straße entgegen, humpelnd, manchmal torkelnd, stets mit prall gefüllten Plastiktüten beladen, deren Inhalt sie an den Flaschenautomaten der Discounter in Pfandbons umwandelten. Und obwohl van Harm wusste, dass die Leute nicht gut rochen, dass sie oft aggressiv waren und obendrein undankbar, wandte er das Gesicht nicht ab, kreuzten sich seine Wege mit einem von ihnen. Oder stellte sich an der Kasse, wenn alle anderen Kunden genau diese Schlange mieden, demonstrativ hinter einen dieser Penner, und wenn er Glück hatte, stank dieses Exemplar dann nicht mal nach Urin. Aber ob das Südneuköllner Pfandflaschengesindel tatsächlich identisch war mit den Supermarktbettlern des Kreuzberger Wrangelkiezes, konnte van Harm natürlich nicht sagen.
    Solche Überlegungen zu den personellen Überschneidungen in den Milieus entsprangen lediglich irgendwelchen Kapriolen seines beschäftigungslosen Verstandes. Den es nach einem Jahr ohne Herausforderung ja durchaus noch gab. Den er ja nicht zurückgelassen hatte in der Eigentumswohnung am Kanalufer, obwohl sich sein Verstand dort zweifellos wohler gefühlt hatte. Es ließ sich durchaus angenehmer denken, lief man währenddessen über ein frisch geschliffenes Fischgrätparkett, anstatt über ein räudiges Linoleum, das einem beim Darübergehen unter den Pantoffeln quietschte.
    Türken und Araber, die Constanze quasi von Berufs wegen mochte, gab es hier zuhauf. Die richtigen! Aus den Kreuzberger Straßen in Ufernähe waren sie nach und nach verschwunden. Als seien sie ausgestorben. Dabei waren sie nur zurückgedrängt worden, vermutlich in die Reservate rund ums Kottbusser Tor oder in eine der lauten Ausfallstraßen, an deren einer auch sein Büro gelegen hatte, bevor es hochgegangen war. So wie es Ureinwohnern eben immer erging, wenn die materiell und

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