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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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sie von der Außenterrasse des Deutschen Hauses gut im Blick hatten, das Materiallager von Pfarrer Pagel befunden hatte. All die Farben und Stoffe, die Besenstiele und die Zaunlatten, die die Junge Gemeinde zu Herstellung ihrer politischen Transparente benötigte, lagerten dort, oder vielmehr, hatten dort gelagert. Die Musikanlage, die Bierbänke und Gartentische, die Wimpel-und Lampionketten, die Gartenfackeln und Sonnenschirme, die Holzkohle und die dazugehörigen Grills, die gesamten Utensilien, die für das Sommerfest benötigt wurden, hatte Pfarrer Pagel dort aufbewahrt. Und alles war nun dahin, war in Rauch aufgegangen. Von der armen Frau Pagel ganz zu schweigen, mit der im Moment gerade wer weiß was geschah.
    Kai war sich nicht ganz sicher, ob Brunos Sorge wirklich der Pfarrersfrau galt oder ob darin nicht eher die Furcht verklausuliert war, das diesjährige Sommerfest könne ausfallen. Aber einmal gedacht, schämte er sich sofort für diese Unterstellung, und er bemühte sich einigermaßen erfolgreich, sie an diesem Tag nicht mehr in seinen Schädel zu lassen, in dem sich nach und nach das wohlige Gefühl eines beginnenden Alkoholrausches ausbreitete.
    Immer wieder schob Bruno Zabel, kam er auf das Feuer zu sprechen, einen Satz in seine Ausführungen: »Wer macht denn so wat?«, und als Kai van Harm ihn einmal unterbrach, um zu fragen: »Aber wie kommen Sie denn darauf, dass überhaupt irgendjemand irgendetwas gemacht hat?«, konterte Bruno aus dem Stegreif: »Schon verjessen? Ick war bei die bewaffneten Organe jewesen, und deshalb kann ick nur eins sagen: Hier zieht das Gesetz der Serie.«
    »Ah ja«, sagte Kai. Gegen eine solche Feststellung kam er an einem Tag wie diesem nicht an.
    Als dann die Sonne schon tief stand, und alle Altwassmuther, die noch Arbeit hatten, sei es in der EU-geförderten Beschäftigungstherapie des Försters, in Winfried Jagodas Schweinemastanlage oder bei irgendeiner Verwaltung der Kreisstadt, ihren verdienten Feierabend antraten, füllten sich nach und nach auch die Plätze vor dem Deutschen Haus. Eine kühle Brise trocknete die schweißfeuchten Stirnen, und natürlich sprachen die vielen Männer und die wenigen Frauen über den heutigen Kirchenbrand und über jenen von gestern. Und sie spekulierten, und sie mutmaßten, und selbstverständlich zogen einige ganz ähnlich Schlüsse, wie Bruno es getan hatte, denn das Gesetz der Serie fanden diesseitige Materialisten, zu denen die meisten Altwassmuther nun einmal ihrer Erziehung wegen geworden waren, überzeugender als das Gesetz des Zufalls , welches, wollte man es gelten lassen, doch einen recht ausgeprägten Willen zum Glauben voraussetzte. Und darüber, wie es mit dem Glauben hier bestellt war, konnte der Herr Pfarrer wiederum ganze Liederbücher heruntersingen.
    Im Übrigen kamen viele der im Deutschen Haus eintrudelnden Gäste erst zu Bruno Zabel an den Tisch, bevor sie sich woanders niederließen und ihre Getränke bestellten. Sie gaben ihm die Hand, sie duzten ihn, sie schlugen ihm auf die Schulter und wechselten ein paar Worte.
    »Ja nu«, sagte Bruno Zabel zu Kai van Harm, als der sechste oder siebente Dörfler zu ihm gekommen war, »ick bin hier eben bekannt wie’n bunter Hund, wa?«
    Zwei Altwassmuther verweilten an diesem lauen Frühsommerabend ein wenig länger an Brunos Seite. Es war gegen sieben, als ein Pick-up dort hielt, wo Stunden zuvor das Wurst-Mobil geparkt hatte. Auf der Tür prangte ein feistes, rosiges Schwein, das grinste, obwohl eine Gabel in seinem Hintern steckte. Winfried Jagoda blieb neben Bruno stehen. Aber mindestens eine halbe Minute lang sagte er nichts. Es schien, als müsse er sich erst überlegen, wie er Zabel begrüßen könne, der wiederum so tat, als stünde ihm der andere nicht im Licht.
    »Morjen«, sagte Jagoda dann endlich nach einer kleinen Ewigkeit, in der Kai kaum noch gewusst hatte, wohin mit seinen Blicken.
    Bruno tat, als sei er überrascht: »Mensch«, sagte er, »wo komm Sie denn mit einmal her?«
    »Ich dachte, wir duzen uns«, entgegnete Jagoda und setzte sich neben Bruno auf die Bank.
    »Dit wär mir neu«, sagte Bruno und rückte demonstrativ ein Stück weg.
    »Was macht das Leben?«
    »Sie sehn ja selber«, sagte Bruno und zeigte auf den traurigen Kirchenrest, hinter dem gerade das Abendrot explodierte. Ein Anblick, der durchaus hätte schön sein können, wäre die Ruine vor hundert Jahren entstanden und nicht heute Mittag.
    »Tragisch.«
    »Wohl wahr.«
    Und so ging es

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