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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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Handrücken über die Mundwinkel, rülpste leise, holte dann einmal tief Luft und sagte: »Wat ick mich schon die janze Zeit frage: Warum bloß is unser Pope eben mit dem Sanka weg?«
    Doch noch bevor van Harm Bruno ein Kompliment machen konnte, weil er die alte, fast vergessene Abkürzung Sanka benutzte, was für Sanitätskraftwagen stand, sprang dieser in die Höhe und rief: »Dit Fleisch!«
    Van Harm starrte ihn verständnislos an.
    »Na Mensch, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig Grad sind’s heute: im Schatten! Da wern’s mindestens dreißig sein im Wagen. Unser Fleisch!«
    Er rannte los und preschte wenig später in seiner japanischen Rostgurke an van Harms Tisch vorbei, wobei er es noch schaffte, zweimal zu hupen. Dann war der Wagen Richtung Vieracker verschwunden, und nur eine Staubwolke, die sich langsam wieder zu legen begann, zeugte noch vom panischen Aufbruch Zabels in Richtung seiner Lebensmittel-Kühlgeräte, der Gefriertruhen und Eisschränke.
    Van Harm nahm einen weiteren winzigen Schluck von der Brause. Er überlegte, ob er wortlos ein paar Münzen auf dem Tisch liegen lassen und schnell verschwinden sollte, um dem Nazi-Wirt nicht gegenübertreten zu müssen, als dieser in der Gaststättentür erschien und komisch guckte. Kein Grinsen und keine reine Hassfratze, eher eine Melange aus beidem. Und ja: Abermals hatte er die Daumen hinter seine schwarz-weiß-roten Hosenträger verhakt. Und als sein Blick van Harms Blick abfing, zog er diese Hosenträger auf halbe Armeslänge von seinem Körper weg, hielt einen Moment inne und ließ sie dann auf seine Wampe zurückflitschen, wo sie mit einem kurzen stumpfen Geräusch aufkamen und all das Bauchfett für den Bruchteil einer Sekunde zum Wabern brachten: einmal hin und einmal her.

 
    Frau Wurst streut Gerüchte
    Es war Frau Wurst, die Kai van Harm vor einer möglichen Zudringlichkeit des Wirtes rettete, vielmehr war es der schrille Klang ihrer Hupe, die zweimal die ersten Takte von La Cucaracha in den heißer werdenden Mittag spuckte, bevor das Vehikel, in dem sie saß, unmittelbar neben den Kneipentischen zum Stehen kam. Wie üblich quietschten dabei die Reifen, und es staubte, als befände man sich nicht in Zirnsheim, Brandenburg, sondern in Dodge City, USA .
    Was für ein Gefährt!, dachte van Harm, noch bevor Frau Wurst aus der Fahrertür heruntergesprungen war, so schwungvoll wie sich ein Cowboy vorm Saloon vom Pferd schwang. Dass die Frau, die dem schönen Wetter zum Trotz Gummistiefel trug, Frau Wurst war, schloss er ohne weitere Schwierigkeit aus der großen und mit leicht zittriger Hand gepinselten Aufschrift, die den tarnfarbenen Kastenaufbau des Klein— LKW s zierte:
    »F RAU W URST BRINGT DIE W URST !!!!!«
    Es waren tatsächlich ganze fünf Ausrufezeichen, die die Dringlichkeit der Botschaft unterstrichen, unter der kleiner und in Klammern stand: »Und auch alle anderen Waren des täglichen Bedarfs.«
    Van Harm grübelte, ob die große Botschaft noch einen anderen Sinn hatte als den offensichtlichen, einen hintergründigen sozusagen, aber kurz nachdem der erste Gummistiefel von Frau Wurst den Boden berührt hatte, gab er auf, denn sie schritt schnurstracks auf seinen Tisch zu. Wolf Kretzschmer dagegen, der Nazi-Wirt, hatte sich verkrümelt, weshalb sich van Harm, der in Frau Wurst seine Retterin sah, auch sofort auf das Gespräch einließ, das sie begann, als sie ihm kurz darauf am Biertisch gegenübersaß, genau dort, wo eben noch Bruno Zabel sein Bier getrunken hatte.
    »Er ist der Journalist aus Berlin?«
    »Äh, ja, woher wissen Sie …« Die Anrede in der dritten Person irritierte van Harm ein wenig, obwohl er auch in seinem neuen Neuköllner Kiez das ein oder andere Mal so angesprochen worden war.
    »Seine Frau hat manchmal bei mir gekauft«, sagte Frau Wurst und deutete auf das Wurst-Mobil am Wegesrand. »Ich fahr zweimal die Woche über die Dörfer, muss er wissen. Vor allem die alten Leutchen kaufen bei mir, die schlecht zu Fuß sind, die kein Auto haben und keine Verwandten. Und auch seine Frau war manchmal bei mir, da kommt man schon mal ins Plaudern: das Leben, die Kinder.«
    »Ja«, sagte van Harm leicht versonnen, »meine Frau …«
    »Und nun ist er ohne sie hier?«
    »Constanze muss arbeiten. Aber nicht, dass Sie mich missverstehen: Ich selber bin auch nicht unbedingt zu meinem Vergnügen da.«
    »Wir alle müssen unser Brot verdienen«, sagte Frau Wurst und wackelte dabei leicht mit dem Kopf, gerade so, als zweifle sie

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