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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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hatten auch Eriks Haare eine schwarze Färbung aufgewiesen.
    Janne hingegen war schon eine Eskalationsstufe weiter: Sie hatte sich das gesamte Gesicht kreideweiß geschminkt. Nur die Lippen waren schwarz nachgezogen, die Wimperntusche war dick aufgetragen und leicht verlaufen, und die gesamte Augenpartie hatte sich Janne mit schwarzem Lidschatten abgedunkelt, so dass ihr Gesicht von Weitem an einen Totenschädel erinnerte. An einen Totenschädel mit schwarzer, fransiger Perücke.
    Als er die Kinder in der Nacht so hereinkommen sah, hätte van Harm gern etwas zu ihnen gesagt, aber er war so erschrocken, dass ihm beim besten Willen nichts einfiel. Stattdessen kam ihm später in den Sinn, dass sie es möglicherweise ernst meinten mit ihrem karnevalistischen Zombie-Look. Vielleicht hatten sie seinen Auszug nicht verkraftet, vielleicht gab es Konflikte mit Constanze, von denen er nichts wusste. Noch bevor er zu Bett ging, nahm sich Kai vor, seine Kinder trotz ihres gewöhnungsbedürftigen Aufzugs zu lieben und gleichzeitig ein etwas wachsameres Auge auf ihr Treiben zu werfen.
    In der Nacht schlief er schlecht, immer wieder von Träumen geplagt, die sich anfühlten, als habe Frau Wurst sie eigens für ihn entworfen. Als er am Morgen aufstand, es war noch nicht einmal sieben, und missmutig und zerschlagen ans Schlafzimmerfenster trat und die Übergardine ein Stück zur Seite schob, um eine volle Lunge frischer Landluft zu tanken, sah er gerade noch, wie sich Janne und Erik in den hinteren Teil des Gartens schlichen. Normalerweise schliefen sie um diese Stunde noch. Oder wenigstens hatte Kai das vermutet, weil er selber normalerweise zu dieser Uhrzeit noch im Bett lag.
    Janne und Erik liefen, leicht gebückt, im Schatten der Scheunenwand. Sie hatten einen Beutel dabei, eine Hacke und einen Spaten. Dann waren sie hinter der Scheune verschwunden, dorthin, wo der Komposthaufen stand und wo Kai eigentlich vorgehabt hatte, ein paar Gemüsebeete anzulegen.
    Als sie sich gegen halb zehn an den Frühstückstisch setzten, spielten sie beide die heilige Unschuld. Obwohl wenigstens Erik ein schlechtes Gewissen hätte haben sollen, wie Kai fand, denn heute war auch sein Gesicht weiß gepudert, und seine Augen waren dunkel umrandet.
    Das reichte jetzt langsam, fand Kai. Er musste jetzt mal anfangen, seine Vaterrolle zu spielen, und deshalb sagte er, ins stumme Kauen seiner Zöglinge hinein: »Ich will euch gar nichts vormachen. Ich habe euch gesehen heute Morgen, wie ihr euch aus dem Haus geschlichen habt, lange vor dem Aufstehen. Wie ihr mit Werkzeug hinter der Scheune verschwunden seid. Gibt’s da irgendwas, das ich wissen sollte? Was vielleicht auch für eure Mutter von Interesse ist?«
    Seine Kinder tauschten einen ganz kurzen Blick.
    »Das war nix weiter«, sagte Janne dann, »nur ein Experiment, für die Schule. Biologie. Mit Pflanzen und so.«
    »Ja, und mit Tieren. Mit Würmern und all diesen Viechern im Boden«, ergänzte Erik.
    »So genau wollte Papa es gar nicht wissen, oder?«, sagte Janne, und Kai merkte, wie sie ihren Bruder unterm Tisch auf den Fuß trat.
    »Nein, nein, Janne, ist schon in Ordnung – Biologie, also, ja?«
    »Ja, was denn sonst?«, sagte Erik eilfertig, »Jugend forscht und so weiter.«
    » Da von hab ich schon gehört«, sagte Kai.
    »Wir müssen los«, sagte Janne, stand auf, zog auch ihren Bruder vom Stuhl hoch, und schon waren sie aus dem Haus.
    Kai wartete zehn Minuten, dann ging auch er nach draußen, auf den Hof, den gleichen Weg, den seine Kin der am Morgen entlanggeschlichen waren. Hinter der Scheune hielt er kurz inne und sah sich um. Es dauerte nur wenige Sekunden, und er hatte das Werkzeug entdeckt: Hacke und Spaten lehnten am Pflaumenbaum, und der Pflaumenbaum, der schon voller grüner Früchte hing, stand direkt neben dem Komposthaufen, auf den Kai immer dann die Küchenabfälle warf, wenn die Fruchtfliegenpopulation in der Bauernhausküche ins quasi Exponentielle explodierte.
    Vielleicht war die Sache mit dem Schulexperiment gar nicht gelogen, dachte Kai, der sich nicht vorstellen mochte, dass seine Kinder so dämlich waren, ihre Tatwerkzeuge am Tatort zurückzulassen. Sie sozusagen zu vergessen!
    Vorsichtig näherte er sich dem stinkenden Kompost. Es roch süßlich und schwer, nach gärenden Früchten und nassem Papier. Die Fliegen summten ein hundertstimmiges Lied, und als er direkt vor dem Haufen stand, dort, wo er immer die Eierschalen, die Teebeutel und den Kaffeesatz hinkippte,

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