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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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schaue ich nicht aus dem Fenster, sondern betrachte meinen Verlobten. Das ist auch ziemlich sehenswert, denn Mark hat Flugangst. Er gibt das natürlich selbst nicht zu, sondern nennt es »mein sensibler Magen«. Aber wer schon einmal gesehen hat, wie sich seine Gesichtsfarbe von normal zu rot zu weiß zu grün verändert während eines ganz normalen Flugs ohne Turbulenzen, kann das nicht glauben. Als wir im vergangenen Jahr nach Brasilien geflogen sind, habe ich stundenlang seine schweißnasse Hand gehalten und ebenso ausdauernd Mitleid mit seinem Magen geheuchelt. Wir wären beide besser dran, wenn Mark einfach seine Angst zugeben würde, aber dafür scheint der Leidensdruck noch nicht hoch genug zu sein. Gerade fächelt er sich mit den Sicherheitshinweisen Luft zu. Es ist ein Bild des Jammers.
    Ich schlafe ein und träume von meinen Freundinnen, die kleine Sträuße in den Händen halten und identische Kleider in Pastelltönen tragen. Sogar im Traum muss ich darüber kichern. Erstens habe ich noch nie Brautjungfern außerhalb eines Kitschfilms gesehen, und zweitens würden meine Freundinnen mir die Sträuße um die Ohren hauen, wenn ich sie bitten würde, gleiche Kleider zu tragen. Es ist nun mal so, dass ein Kleid nie mehreren Frauen gleich gut steht. Nicht nur wegen der Farbe, sondern auch wegen des Schnittes. Und wenn eine gerade schwanger ist und eine andere vielleicht ein paar Schnitzel zu viel verputzt hat, während eine andere sich nur von Mineralwasser zu ernähren scheint, hat man den Salat: Bei der ersten ist es am Bauch zu eng, bei der zweiten am Hintern, und die dritte füllt das Dekolleté nicht aus. Da hilft eine andere Konfektionsgröße rein gar nichts. Das sind Schicksale, die es zu vermeiden gilt.
    Mit den Brautjungfern wird es also nichts. Aber sonst so? Plötzlich wird mir klar, dass die perfekte Spielwiese für dekosüchtige Frauen wie mich vor mir liegt. Eine Hochzeit verträgt mehr Blumen, Schleifen, Rüschen, Spitze und Zuckerguss als jede andere Veranstaltung. Mal abgesehen von der Taufe eines Thronfolgers vielleicht, aber mit so etwas kann mein Leben nun mal gerade nicht aufwarten. Was werde ich anziehen? Ein weißes Kleid, natürlich, aber es sollte einigermaßen schlicht sein. Sonst erkennt mich Mark unter all den glitzernden Blumenranken gar nicht mehr – und wenn doch, sagt er am Ende vor dem Altar Nein, weil ich ihm nicht gefalle. Aber die Torte! Ich will rosafarbene Marzipanrosen. Nur nicht diese übliche rosa Puddingfüllung, die jeden Diabetiker sofort umbringen würde. Und ich will einen großen Strauß. Und einen Schleier. Die Gäste sollten alle irgendetwas mit Rosa oder Rot tragen. Bloß nicht so viel Schwarz, es ist schließlich eine Hochzeit. Unsere Hochzeit!
    »Kannst du Walzer tanzen?«, frage ich Mark, dessen Gesichtsfarbe sich bei Lindgrün einpendelt. Mein Verlobter ist damit beschäftigt, sich an der Befestigung des Klapptabletts festzuhalten, und wendet nur langsam seinen Kopf.
    »Ja. Aber nicht jetzt.«
    »Jetzt sollst du ja auch gar nicht. Es ist nur wegen der Hochzeit.«
    »Luisa, können wir ein andermal darüber sprechen?«
    »Ich will ja nur wissen, wie du dir die Feier so vorstellst. Was dir gefallen würde.«
    »Mach einfach.« Mark lässt seine Stirn wieder an den Vordersitz sinken. »Alles, was du willst. Aber sprich mich nicht mehr an, bis wir gelandet sind.«
    Wenn das mal keine Ansage ist. Alles, was ich will. Als wir eine halbe Stunde später landen, habe ich bereits mehrere Hochzeitsfeiern durchgeplant und wieder verworfen. Im Flughafen kaufe ich schnell noch ein paar Brautzeitschriften, bevor Mark wieder im Normalzustand ist und mich davon abhält. Alles, was ich will. Versprochen ist versprochen.
    Mark
    Am liebsten würde ich mich zu Hause sofort hinlegen. Wenn Gott gewollt hätte, dass Menschen fliegen, hätte er ihnen Flügel gegeben. Luisa fragt, wie’s mir geht. »Schlecht.«
    »Ich mach dir einen Tee, Süßer.«
    »Sehr nett.«
    »Mach ich doch gern.«
    Ich fange an, das Fastverheiratetsein zu mögen. Dabei haben wir noch gar nicht über einen Termin gesprochen und wie die Hochzeit genau ablaufen soll. Auf jeden Fall kein großes Fest, eher kleiner Kreis, ohne Schnörkel, keine Kutsche, kein Stephansdom. Wie ich Luisa kenne, wird sie auf einer kirchlichen Trauung bestehen. Am besten wäre natürlich, auch wenn ich dafür ein Flugzeug besteigen müsste, wir würden uns auf einer einsamen Insel trauen. Nur wir beide.
    Als ich mich gerade auf der

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