Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Elektronik steuern, von der Musikanlage über den Fernseher bis zur Beleuchtung. Luisas Vater ist wirklich ein Computer-Nerd.
Luisas Mutter schwingt heute den Kochlöffel und ich, sagt sie, solle mich ausruhen, die Beine hochlegen, etwas schonen. »Du hattest sicher eine harte Woche.« Ich liebe diese Frau. Eine harte Woche – die hatte ich gewiss. Ich würde fast sagen, die härteste meines Lebens. Aber jetzt ist alles gut.
Fast alles. Denn die abschätzigen Blicke und permanenten Sticheleien von Luisas Vater sind mir keineswegs entgangen, auch wenn ich so tue, als meine er nicht mich. Mich ärgert, dass mich der Signore nicht mag. Ich habe ihm nichts getan. Im Gegenteil begegne ich ihm mit größtem Respekt. Was soll ich noch tun? Luisa aufgeben? Das werde ich sicher nicht. Wir sind doch keine fünfzehn mehr. Und ich bin auch nicht Luisas Teenagerfreund, der heute zum ersten Mal übernachtet. Ich habe Luisa weder die Unschuld geraubt noch ihr Herz gebrochen. Ich bin jetzt offiziell ihr Verlobter, und wir werden in ein paar Monaten heiraten – mit Geigen und allem, was sonst noch dazugehört. Höchste Zeit also, wie ich finde, endlich über den eigenen Schatten zu springen und mich langsam als künftigen Schwiegersohn zu akzeptieren.
»No, grazie«, raunzt mich der Signore an, als ich den Spritz, den er übrigens geordert hat, auf der Terrasse serviere. Er macht dabei eine typische Italiener-Handbewegung, so aus dem Handgelenk unterm Kinn nach vorne.
»Papa!«, schlägt Luisa ihren strafenden Ton an.
»Was ist? Ich mag das Zeugs nicht.«
»Entschuldige bitte, aber du bist aperolsüchtig.«
»Jetzt nicht mehr.«
»Du nimmst also keinen Aperitif?«
»Doch. Selbstverständlich.«
»Und was?«
»Einen Hugo natürlich.«
»Haben wir Holunder?«
»Sicher. Frag deine Mutter.«
»Bring ihn bitte nicht um, Papa«, bittet Luisa ihren Vater, bevor sie mich leidenschaftlich küsst und dann Richtung Küche spurtet.
»Sie haben’s gehört«, sage ich und meine es witzig. Der Signore aber versteht keinen Spaß. Ich kann den Laut, den er von sich gibt, nicht deuten. Eine Art »Äh!« Freundlich war dieses »Äh« aber bestimmt nicht gemeint.
Während wir gemeinsam schweigen, trinke ich in schnellen, kurzen Schlucken mein Glas leer. Meine Hand zittert leicht. Wo bleibt Luisa mit dem verdammten Hugo? Wenn man sich nichts zu sagen hat, werden Sekunden zu Stunden. Signor Conte nestelt mit einer Hand in der Innentasche seines Sakkos herum. Ich male mir schon das Schlimmste aus. Will er mich jetzt abknallen? Und dann den Mord jemand anderem in die Schuhe schieben? Der Mafia zum Beispiel. Ich weiß gar nicht, ob es in Südtirol eine Mafia gibt. Aber wahrscheinlich schon, Drogen, Waffen, Pasta, Pizza und Prostitution sind ein internationales Geschäft.
Endlich findet Herr Conte, was er gesucht hat. Es ist zu meinem Erstaunen und Glück keine Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer, sondern ein Brillenetui. Die Ray Ban steht ihm wirklich ausgezeichnet.
»Schönes Haus«, versuche ich etwas Konversation zu betreiben. Der Signore reagiert nicht. Ich bekomme meine Nervosität einfach nicht in den Griff. Mein Herz rast. Außerdem habe ich eine Heidenangst vor dem Typen. Wir schweigen einander weiter an.
Endlich kommt Luisa mit dem Getränk. »Und? Haben sich meine beiden liebsten Männer gut unterhalten?«
Ich nicke angestrengt. Ich muss mich dringend umziehen. Mein Hemd ist durchgeschwitzt.
Luisas Vater nippt an seinem Aperitif und scheint zufrieden. Dann bedeutet er seiner Tochter mit einem Fingerzeig, noch mal näherzukommen.
»Und du bist dir sicher, dass der Arzt ist?«
»Der beste«, antwortet Luisa und lächelt mich verschwörerisch an. »Zeigst du Mark deinen Weinkeller, Papi?«
Luisas Vater steht wortlos auf und verlässt den Raum. Ich beeile mich, ihm zu folgen, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt. »Wo sind Sie?«, rufe ich.
»Hier!«, ruft Signor Conte zurück.
Ich folge der Stimme. Es geht abwärts.
Blanker Stein, schummriges Licht, düstere Stimmung. Der Keller ist noch beeindruckender als der oberirdische Teil des Hauses. Ich habe Harry Potter nie gelesen, kenne aber die Filme. Wie heißt diese Kobold-Bank? Das Verlies hat eine gewisse Ähnlichkeit. Ich schaue auf mein Handy. Kein Empfang, sonst könnte ich schnell googeln. Ich setze vorsichtig einen Schritt nach dem anderen. Ich glaube nicht, dass es Luisas Vater wagt, mich hier unten umzubringen. Obwohl das natürlich der beste Ort für ein
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