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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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Verbrechen wäre. Er könnte behaupten, ich sei gestolpert, mit dem Kopf unglücklich gegen die Wand geprallt oder auf dem Boden aufgeschlagen. Bei seinen Beziehungen und der ganzen Kohle würde er vermutlich damit durchkommen. Irgendwann wäre auch Luisa über den Verlust hinweg, sie würde sich wieder verlieben und mit dem anderen Mann ein halbes Dutzend Kinder bekommen. Das könnte der Plan sein.
    »Verstehen Sie was von Wein?«
    Ich zucke zusammen. »Haben Sie mich erschreckt«, stottere ich und drehe mich um.
    Hinter mir steht Signor Conte. »Hier entlang.« Er deutet mit dem Kopf nach links. Ich folge ihm durch einen Seitengang in eine etwa zwei Meter hohe Kammer, die bis unter die Decke, an die ich fast mit dem Kopf stoße, mit Flaschen gefüllt ist. »Mein Schatz.«
    Ich trete näher ans Regal, ziehe eine mit Spinnweben und Staub bedeckte Weinflasche heraus, wische mit einem Taschentuch über das Etikett. »Petrus. 1958!«
    »Nicht schlecht, was?«
    »Ich würde sagen, die trinken wir.«
    »Zur Feier des Tages?«
    »Ja.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Sie haben keinen Grund zu feiern?«
    »Privat nicht.«
    »Was haben Sie gegen mich?«
    Signor Conte zieht eine Schnute, zuckt kurz mit der linken Schulter, legt seinen Kopf ein wenig schief und schweigt.
    »Reden wir doch Klartext«, schlage ich vor.
    »Was wollen Sie?«
    »Ihre Tochter heiraten.«
    »Und vorher? Was macht man vor dem Heiraten?«, fragt Luisas Vater so langsam und bedächtig, als wäre ich schwachsinnig.
    »Keine Ahnung. Die Hochzeit organisieren?«
    »Den Vater der Braut um Erlaubnis fragen. So läuft das. Jedenfalls da, wo ich herkomme.«
    Ich schüttle den Kopf. Also auf die Idee bin ich wirklich nicht gekommen. Wo leben wir denn? Wann leben wir? Luisa würde mir den Marsch blasen, wenn ich bei ihrem Vater um ihre Hand anhielte. Sie ist doch ein freier Geist, auf keine Erlaubnis von irgendwem angewiesen, und wenn es ihr Vater ist. Ich zögere.
    Das braucht ja niemand zu erfahren. Es würde ja gewissermaßen unter uns bleiben. Mein Gott, mir bricht doch kein Zacken aus der Krone, wenn ich frage. Wenn dann endlich Friede oder wenigstens Waffenstillstand herrscht. Ich seufze leise.
    »Was ist?«, will Signor Conte wissen. Er hält zwei Flaschen Montepulciano in der Hand. Jahrgang 2012. Super.
    »Ich würde Sie gern was fragen, Signor Conte. Darf ich Ihre Tochter heiraten?«
    »Nein.«
    Ich lobe das Essen. Valentina hat ein absolut perfektes Dinner gezaubert. Eingelegtes Gemüse und Meeresfrüchte als Vorspeise, dann Ravioli mit einer Ricottafüllung in Olivenöl und Salbei, gefolgt von einem Ossobuco, das auf der Zunge schmilzt. Als Nachspeise fährt sie Tiramisu auf. Ich rede während des Essens eher wenig. Für mich ist alles gesagt. Wenn ich nicht gut genug bin für seine Tochter, kann mich Signor Conte ganz einfach mal – und zwar kreuzweise. Für meine Gefühle brauche ich mich nicht zu rechtfertigen.
    Valentina schlägt vor, den Digestif auf der Terrasse einzunehmen. Ich behaupte, ich wäre müde – von der Fahrt. »Ich darf mich verabschieden.«
    »Wo willst du hin?« Luisa sieht mich besorgt an.
    »Lass ihn fahren«, schnarrt ihr Vater.
    »Ich gehe schlafen.«
    »Na gut. Viel Spaß morgen!« Luisa gibt mir einen Gute-Nacht-Kuss.
    In meinem Zorn und meiner Verwirrtheit vergesse ich zu fragen: Spaß? Wobei?
    Ein grässliches Heulen reißt mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf. Ich schaue auf den Wecker. Es ist vier Uhr. Luisa öffnet kurz die Augen. »Waidmanns Heil«, sagt sie und dreht sich um.
    Ich schalte den Wecker aus und kuschle mich an ihren Rücken. »Mein Vater hasst Unpünktlichkeit«, murmelt sie schlaftrunken. Aha. Mir doch egal. »Aufstehen, Süßer!«
    Ich setze mich auf. »Kannst du mir bitte mal erklären, was los ist?«
    »Na«, meint Luisa knapp und gähnt. »Ihr seid doch verabredet.«
    »Wer?«
    »Du und mein Vater.«
    »Ich und dein Vater?« Das wüsste ich aber.
    »Papa hat gesagt, du wüsstest Bescheid. Euer Ausflug.«
    »Unser Ausflug?«
    »Abfahrt um halb fünf.«
    »Wohin?«
    »Lass dich überraschen.«
    Ich liebe Überraschungen. Besonders wenn Luisas Vater eine nicht unwesentliche Rolle in ihnen spielt. Müde schleiche ich ins Bad, stelle mich fünf Minuten lang unter die heiße Dusche, drehe dann zum Schluss noch kurz das kalte Wasser auf, damit ich wenigstens ein bisschen wach werde. Dann schlüpfe ich in meine Jeans, streife ein T-Shirt über und entscheide mich für die Halbschuhe. Wenn er mich zu einem

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