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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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romantischen Frühstück im Morgengrauen ausführen will, bin ich vielleicht etwas underdressed.
    Um Punkt halb stehe ich vorm Haus – und warte. Eine geschlagene halbe Stunde lang. Ich beschließe, dass hier ein Missverständnis vorliegt und denke mir, dass ich, wenn ich schon so früh auf bin, wenigstens noch einen Kaffee trinken und mir den Sonnenaufgang anschauen kann, bevor ich mich wieder hinlege. In der Küche treffe ich Signor Conte. Er guckt mich griesgrämig an, während er seine Tasse leert. »Auch schon auf?«, knurrt er unfreundlich.
    »Mir wurde gesagt, wir wären verabredet.«
    »So.«
    »Wo soll’s denn hingehen?«
    »Nach was sieht’s denn Ihrer Meinung nach aus?«
    Ich nehme den Signore etwas genauer unter die Lupe. In seinem grünen Janker, der braunen Kniebundhose und den festen Stiefeln sieht er ein bisschen aus wie der Oberförster in den alten Ludwig-Thoma-Filmen. »Zum Wandern«, tippe ich.
    Luisas Vater fletscht die Zähne. Er greift hinter sich und hält plötzlich ein Gewehr in der Hand, legt an und zielt auf mich.
    »Nicht schießen«, schreie ich reflexartig.
    »Ich werd’s mir merken.«
    Irgendwie habe ich aber das ungute Gefühl, dass der gute Vorsatz schon jetzt vergessen ist. Signor Conte schultert sein Gewehr und stürzt aus dem Haus. Ich schätze, ich sollte hinterher. Kaffee? Keine Zeit. Ich höre, wie der Motor anspringt. Das sollte bestimmt keine Einladung sein, eher eine Aufforderung.
    »Wo bleiben Sie denn?«, giftet er mich an, als ich auf den Beifahrersitz seines Protz-Rovers klettere. Wenigstens muss ich nicht in den Kindersitz oder Kofferraum. Signor Conte stellt die Automatik auf D , und wir gleiten sanft vorwärts.
    Sollte ich je schlecht über Südtirol geredet haben, möchte ich an dieser Stelle widerrufen. Weil landschaftlich ist es hier 1A. Tipptopp. Ein bisschen wie am Tegernsee, nur mehr Italien, obwohl sie das in Südtirol vermutlich nicht so gern hören. Es geht ins Tal, durch die Stadt und auf der anderen Seite wieder hoch. Wir fahren ungefähr eine halbe Stunde lang, bis wir auf einem Waldparkplatz halten.
    »Und jetzt?«
    »Schießen wir unser Abendessen.«
    Tatsächlich pirschen wir erst mal eine ganze Weile durch den Wald. Ich bin froh, dass ich mich bei der Kleiderwahl nicht für den Anzug entschieden habe. Ein wenig friere ich in dem T-Shirt. Ich hätte besser eine Jacke eingesteckt. Meine Schuhe vertragen das Unterholz auch nicht so gut. Aber wer hatte auch ahnen können, dass ich mich vor sechs Uhr morgens schon im Wald rumtreibe? Wäre da nicht Luisas Vater, der jeden Gesprächsversuch abblockt, ich könnte sogar etwas Spaß haben. So schlecht ist das nicht. Frische Luft, die aufgehende Sonne über den Baumkronen, Stille, nur die Geräusche des Waldes, unter den Sohlen weicher Boden. Außer uns ist kein Mensch weit und breit.
    »Wo geht’s hin?«, flüstere ich.
    Der Signore zeigt in eine Richtung. Fünf Minuten später haben wir einen Hochsitz erreicht. Wir klettern hoch. Stufe für Stufe. Oben ist gerade so Platz genug für zwei. Wir berühren uns bei jeder Bewegung. Die Oberschenkel liegen dicht an dicht. Ich spüre die innere Hitze des Signore. Es wäre sehr freundlich, wenn ich auch mal durch seinen Feldstecher linsen dürfte. Aber Luisas Vater gibt ihn nicht aus der Hand. »Swarovski-Optik«, sagt er bloß. Als ob ich damit etwas anfangen könnte. Wahrscheinlich teuer, denke ich, hüte mich aber zu fragen. Bloß nicht auffallen. Vielleicht ist das ja doch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Immerhin sind wir bald eine Familie. Ich könnte »Papa« zu ihm sagen oder »Schwiegerpapa« oder wenigstens »Carlo«. Aber vermutlich werde ich ihn ewig siezen müssen.
    Er holt seine Brotzeit aus dem Rucksack und packt sie langsam vor meinen Augen aus. Ich habe auch Hunger. Genussvoll beißt Luisas Vater erst in einen würzigen Landjäger, dann in ein Stück Brot. Aus der Thermoskanne duftet es nach Kaffee. Ich will mich aber nicht selbst bedienen und warte höflich, bis mir Herr Conte etwas anbietet. »Haben Sie sich nichts mitgebracht?«, fragt er bloß.
    Ich schüttle den Kopf.
    »Ihr Pech.«
    Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, ihm mal ordentlich die Meinung zu geigen, aber das würde Luisa nicht gutheißen. »Stronzo«, murmle ich leise vor mich hin.
    »Che?«
    »Stronzo stronzissimo«, sage ich jetzt deutlich hörbar.
    Signor Conte wischt mir mit der flachen Hand über den Kopf.
    »Che cazzo«, schreie ich und remple zurück.
    Wenn

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