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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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die Darbietung einer völlig indisponierten Tragödin. Lady Macbeth war die letzte Theaterrolle meiner Mutter. Eigentlich war es ihre beste, weil sich Anette dafür kaum verstellen musste.
    »Das ist doch gar nicht deine Gegend«, merke ich lahm an. Für gewöhnlich setzt Anette keinen Fuß aus Schwabing raus, wenn sie in der Stadt ist.
    »Ich wohne hier«, mischt sich dieser Dominik ungefragt ein.
    Ich schiebe mein Kinn nach vorne, suche Augenkontakt mit dem Typen, schaue ihn fragend an. Wer hat dich um deine Meinung gebeten? Die Kellnerin, Typ Germanistikstudentin, stellt die Gläser auf das kleine Tischchen in unserer Mitte. Drei Rioja, eine Cola mit Eis ohne Tennessee-Whiskey. Wir sitzen in gut durchgehangenen Ledersesseln, aus einem Lautsprecher rieselt beswingter Jazz. Aus den Augenwinkeln betrachte ich meine Mutter, während ich einen Schluck vom Rotwein koste. Sie sieht gut aus. Sie hat definitiv was machen lassen. Wenn du wissen willst, wie alt eine gebotoxte Frau wirklich ist, dann schau ihr auf den Hals. Insgesamt ist es aber eine sehr gute Arbeit.
    »Wo hast du das machen lassen?«, frage ich.
    »Am Bodensee«, antwortet Anette prompt. Wir verstehen uns.
    »Gute Arbeit.«
    »Ich werde es dem Professor ausrichten.«
    »Tu das. Mit schönen Grüßen, bitte.«
    »Ihre Mutter spielt die Hauptrolle in meinem neuen Film«, mischt sich der Jungspund ein.
    »Ach«, fällt mir Luisa in den Rücken. »Was ist denn das für ein Film?«
    »Ganz großes Kino«, beginnt Dominik begeistert und rasselt eine Menge Namen, Daten und Zahlen herunter. Luisa nickt beeindruckt, ich verstehe nur Bahnhof.
    »Spielt auch wer Bekanntes mit?«, will ich gehässig wissen. Dominik stiert mich verständnislos an. Als würde er die Frage nicht kapieren, nicht Deutsch sprechen. Ich helfe ihm auf die Sprünge. »Til Schweiger? Veronika Ferres?«
    Dominik lacht. »Der war gut, Mark.«
    Mark? Seit wann nennen wir uns beim Vornamen?
    »Weißt du, Mark, deine Mutter ist großartig.«
    »Ja, ich weiß«, seufze ich. »Die Rosamunde Pilcher unter den Schauspieldiven.«
    »Das ist kein Pilcher-Film!«, korrigiert mich Dominik. »Mit ein bisschen Glück gewinnen wir den Auslands-Oscar.«
    »Ja klar. Und ich den Medizin-Nobelpreis.«
    Schweigen.
    Dann ergreift meine Mutter in die Stille hinein das Wort. »Ich habe für diese Rolle zwanzig Kilo abgenommen, mich unters Messer gelegt, mir Nervengift unter die Haut spritzen lassen, Alkohol und Tabletten abgeschworen, mit Pilates angefangen und ich ernähre mich nur noch von Eiweiß. Also bitte, Mark, reiß dich zusammen. Auch wenn ich nicht die beste Mutter war, du wirst mir mein neues Leben nicht miesmachen. Und ja, damit es ausgesprochen ist: Dominik und ich schlafen miteinander.«
    »Anette!«, rufe ich gequält. Das will doch kein Mensch wissen.
    Um ihre Aussage zu untermauern, nimmt sie Dominiks Gesicht in ihre Hände, zieht es zu sich heran und schiebt ihm die Zunge in den Mund.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Am liebsten würde ich aufstehen und verschwinden. Aber ich kann nicht. Ich spüre meine Beine nicht mehr. Der Kerl ist gerade mal zwanzig, höchstens fünfundzwanzig.
    Luisa kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Glückwunsch, Dominik«, sagt sie.
    »Danke, Luisa.«
    Wenn der glaubt, wir würden jetzt öfter solche Pärchenabende veranstalten, dann lebt er aber auf dem falschen Planeten.
    »Wie heißt denn euer Film?«
    »Milf«, antwortet Dominik stolz.
    »Milf?«
    »Mom I’d like to fuck!«, klärt meine Mutter uns auf.
    O Gott. Am liebsten würde ich im Dielenboden versinken. Ich kauere mich in meinen Sessel, hoffentlich verschlingt er mich. Egal, wie. Hauptsache schnell weg hier.
    »Milf?«, wiederholt Luisa zu allem Überfluss auch noch. Dann kann sie sich nach einem Blickwechsel mit Dominik, meiner Mutter und mir aber nicht mehr halten und prustet los. Anette muss ebenfalls lachen. Ich vermute, dass aus dem Grund auch Dominik plötzlich anfängt zu gackern. Nur ich sitze stumm da und verstehe die Welt nicht mehr, wenn ich sie je verstanden haben sollte. In der Bar sind mittlerweile Dutzende Augenpaare auf uns gerichtet. Meine Mutter, die Milf. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Es schüttelt mich.
    »Wollen Sie noch was trinken?«, fragt die Germanistikstudentin zur rechten Zeit.
    »Schnaps«, sage ich schnell. »Den stärksten, den Sie haben.«
    Im Laufe des späten Abends, der für uns bis weit nach Mitternacht dauern sollte, entpuppt sich dieser Dominik

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