Wer ist eigentlich Paul?
wöchentlich!»
Inzwischen ist der Abspann von «SatC» vorbei, und «Coupling» beginnt. Patrick, der gut ausgestattete Weiberheld der britischen Serie, wird vom «Schrumpfmann» heimgesucht. Vroni und ich kringeln uns mitleidsfrei auf dem Sofa und beglückwünschen uns gegenseitig dazu, Frauen zu sein. Darauf noch einen Neuhausen Fizz.
SAMSTAG, 9. NOVEMBER 2002 – DER GANZ NORMALE WAHNSINN
Ich glaube nicht, dass ein Mann sich vorstellen kann, zu welchen Affen sich verliebte Frauen machen. Ich rede nicht von leer gepusteten Gehirnen, blödem Gefasel und albernem Gekicher beim Date. Gemeint ist auch nicht die tagelange Vorbereitung der Frau auf ein solches, begleitet von Anrufen bei allen verfügbaren Freundinnen («Was meinst du? Ist das rote Top zu sexy? Und passt es zu dem schwarzen Rock, du weißt schon, der mit dem Lederband? Ja, meinst du? Und welche Schuhe? Mit den Colleges sehe ich aus wie ’ne Saftschubse!!!») und unweigerlich gekrönt von folgendem Ritual: Wir rupfen alle Klamotten aus dem Schrank, verteilen sie im Schlafzimmer, rennen verzweifelt zwischen Kleiderbergen hin und her und entscheiden uns letztendlich für das schwarze Top mit den Federn am Ausschnitt, weil wir in unserer Frauenzeitschrift gelesen haben, dass man Männer damit zum Anfassen verleitet. Leider ist ausgerechnet dieses Top verschwunden. Spurlos. Erneute Anrufe bei den Freundinnen: «Wann und wo hatte ich das schwarze Federtop zuletzt an?» Schreckliche Ahnung: O Gott, ich hatte es auf Ralfs Party an. Da, wo es diesen ausgezeichneten Caipirinha gab. O Gott. Habe ich es etwa dort … Mir geht zum Beispiel bis heute ein schwarzer Wonderbra ab. Ich kann mich beim besten Willen nicht entsinnen, wo er geblieben sein könnte. Und es hat sich auch kein ehrlicher Finder gemeldet.
Im Falle des Federtops erinnert frau sich schlussendlich an den Weihnachtsabend 2000, an dem sie wieder mal nicht auf ihren Vater gehört hat («Die oberen Kerzen zuerst anzünden, Schnuppel») und daraufhin federtopbedingt im Stil von Jeanne d’Arc kurz in Flammen stand. Nicht ganz so heldenhaft, dafür aber umso hysterischer.
Nein, von dieser Sorte Zum-Affen-machen rede ich nicht. Nicht einmal von dem Paar edler kniehoher Stiefel, dem teuerstenOberteil meiner Shopping-Karriere (musste danach 20 Teile bei H&M mitnehmen, um den Schnitt auf die normalen 15 Euro pro Teil zu senken) oder der Dior-Netzstrumpfhose für 30 Euro. Diese Sachen habe ich alle Paul zu verdanken bzw. Dates mit Paul, aus denen dann nichts wurde. Na ja.
Aber darum geht’s mir gar nicht. Ich spreche hier vom ganz alltäglichen Wahnsinn im Leben einer verliebten Frau.
Das fing bei mir mit 14 an. Meine beste Freundin Sabine und ich spielten in diesem Alter noch mit Playmobil, lasen «Blitz der schwarze Hengst» und longierten uns gegenseitig auf der Wiese hinter Sabines Elternhaus. Wir waren Kinder, und Jungs fanden wir doof. Ebenso verachteten wir unsere gleichaltrigen Klassenkameradinnen, die schon mit männlichen Wesen «gingen» und diese auf der Bank am Spielplatz küssten. Igittigitt. Sabine und ich standen da drüber. Ich glaube, wir waren nicht sonderlich integriert in die Gemeinschaft der Gleichaltrigen, doch das war uns egal. Wir hatten uns und waren unzertrennlich. Und anders als die anderen. Wie cool.
Alles änderte sich an einem Dienstagmorgen vor der Geschichtsstunde. Sabine und ich lungerten vor dem Klassenzimmer herum und beobachteten die höheren Jahrgangsstufen. Auf einmal, ich weiß es noch, als sei es gestern gewesen, schubste Sabine mich an und schaute dabei ganz komisch: «Guck mal, da kommt der Sascha. Der is fei süüüß!»
Ich schwieg. Schockiert. Paralysiert. In diesem Moment wusste ich: Das war’s jetzt mit der Kindheit. Ab sofort wirst du erwachsen. Mein nächster Gedanke war: Mist, ich brauche schleunigst auch jemanden zum Süßfinden! Klar, dass es ein Typ aus dem Jahrgang zwei Klassen über uns sein musste. Das war damals einfach so. Blöd nur, dass ich keinen der Jungs kannte. Ich war nicht im Sportverein, nicht in der SMV, und auch die Schülerzeitung konnte mich nicht locken. Was also tun?
Am nächsten Tag standen Sabine und ich wieder an der Treppe und blickten auf die Jungs herab, die hinaufstiegen. Sabine hielt nach Sascha Ausschau. Als Oliver, Sabines großer Bruder, in Sichtweite kam, nahm ich meinen Mut zusammen und meinte ganz lässig zu meiner Freundin: «Du, dein Bruder schaut aber auch nicht übel aus. Eigentlich ist
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