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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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will. Ich bin nicht darauf eingegangen, weil der Termin erst im Dezember ist und es sein kann, dass ich dann mit den Jungs beim Skifahren bin. Hm, Tina. Die ist eigentlich schon ganz süß. Wenn ich daran denke, wie sie es mir neulich mit dem Mund besorgt hat   … Ich sollte sie mal anrufen.
    Hey, du Arschloch, geh von der Straße runter, wenn du den ersten Gang nicht findest! Es ist schon seit mindestens 1,5   Sekunden grün! Grüner wird’s nicht!
    Im Büro gibt’s eine Menge Arbeit. Wen wollte ich noch mal anrufen? Ach ja, Tina. Aber ich habe momentan so viel zu tun, da reicht die Zeit nicht mal für einen Blowjob-Quickie in der Mittagspause. Und schon gar nicht für die nötige Nachbereitung,damit es nicht der letzte war: mindestens ein Anruf, eine E-Mail und am besten zehn SMS. «Du bist der helle Wahnsinn» zum Beispiel und noch etwas fürs Herz, «Ich vermisse dich», damit sie nicht denkt, ich wolle nur Sex von ihr. Will ich zwar, aber   … oder? Was will ich von Tina? Weiß nicht genau. Und ich habe jetzt echt keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich werde sie in zwei Wochen mal anrufen, wenn der Stress weniger geworden ist. Sie versteht das bestimmt.
    Abends treffe ich mich mit meinen Kumpels in meiner Stammkneipe. Dafür muss Zeit sein. Mann muss sich ja entspannen! Sieben Bier später wanke ich betrunken nach Hause und werfe erst mal alle Klamotten von mir. Nackt bin ich halt doch am schönsten. Auf Eurosport wird das legendäre W M-Halbfinale von 1982 zwischen Deutschland und Frankreich wiederholt. Geil. Einen 1   :   3-Rückstand aufholen und dann im Elfmeterschießen gewinnen. Das waren noch Männer. Nicht wie dieser Beckham mit seiner schwulen Frisur. Eher so wie ich.
     
    Das war also in etwa mein Traum. Erleuchtet, aber auch etwas deprimiert gehe ich (ich, Marie, weiblich) unter die Dusche und überlege
nicht
, ob ich onanieren soll. Ich hänge das Handtuch ordentlich auf und spreche ein Morgengebet, obwohl ich nicht besonders religiös bin. Lieber Gott, bitte, lass Paul anders sein. Nur ein bisschen.

MONTAG, 4.   NOVEMBER 2002 – NACH DEM SEX IST VOR DEM SEX
    Ich mag das nicht. Das «nach dem Sex». Nicht, dass jemand mich falsch versteht – ich liebe es, erschöpft und schwer atmend auf feuchte Kissen zu sinken, Prosecco runterzukippen wie Wasser, zärtliche Küsse auszutauschen, die nicht mein Provisorium im rechten Eckzahn gefährden, dem Objekt meiner Begierdetief in die Augen zu sehen und zu spüren, wie letzte Zuckungen der gerade erfahrenen Lust meinen Körper vibrieren lassen. Das ist wunderbar.
     
    Was ich nicht mag, ist die obligatorische und notwendige «So-jetzt-werden-wir-wieder-vom-Tier-zum-Menschen»-Phase. Ich
will
nicht wieder zum Menschen werden, zumindest nicht so schnell, will nicht wieder diese Marie sein, die ihr Studium nicht gebacken bekommt, deren Topfpflanzen ständig vertrocknen und die den frauenromanverdächtigen Wodka Absolut (und sonst nichts) im Tiefkühlfach hat.
     
    Aber es muss sein. Also höre ich mich selbst reden, höre mich im Plauderton meine letzten Saufgeschichten zum Besten geben. Ich sehe mich mit Paul am Küchentisch sitzen, eine Zigarette rauchen, die zerzausten Haare ordnen und ihm, dem ich vor zehn Minuten noch meine Jacuzzi-Phantasie ins Ohr raunte und seine Reaktionen darauf deutlich an meiner nackten Hüfte spürte (mhmm   …), belangloses Zeug aus meinem belanglosen Leben erzählen. Wir werden jetzt wieder normal, schließlich müssen wir in einer Viertelstunde beide an unseren Schreibtisch zurück.
     
    Ich hasse mich dafür, dass ich nicht einfach die Klappe halten oder zumindest intelligente Beobachtungen von mir geben kann. So viele Zwiegespräche habe ich in den letzten Wochen mit Paul geführt – in meinem Kopf   –, und jetzt fällt mir nichts mehr davon ein, was ich ihm alles sagen wollte. Ich rede, um zu reden und damit er nicht zu Wort kommt, um «du, ich muss dann allmählich mal wieder   …» zu sagen.
     
    Ich bin undankbar. Ich hatte gerade den besten Sex meines Lebens, er dauerte anderthalb Stunden, ich bin voll auf meine Kosten gekommen, und Paul ist danach nicht sofort aufgesprungenund ins Bad gerannt, sondern hat zärtlich mit dem Zeigefinger die Linie meiner Hüften und Taille nachgezeichnet – genau wie in meinem Alpen-Traum. Er war perfekt in jeder Hinsicht, und er kann nichts dafür, dass man Momente nicht festhalten kann und selbst die schönsten Minuten mal ein Ende haben.
     
    Nach dem Sex ist vor dem

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