Wer ist eigentlich Paul?
Sex, könnte ich in Abwandlung eines Fußballspruches denken (denn Fußballsprüche stimmen
immer
!) und mich einfach auf das nächste Mal freuen. Ich versuche es, doch die räsonierende innere Stimme meldet sich mal wieder zu Wort: Vielleicht siehst du Paul nie wieder, gibt sie zu bedenken, möglicherweise war es das letzte Mal! Und eine kalte Angst kriecht mir den Nacken hoch. Was, wenn er mein postkoitales Geplapper genauso doof findet wie ich? Er kann ja nicht wissen, dass ich eigentlich viel tollere Gesprächsthemen auf Lager habe, die mir leider kurzfristig entfallen sind.
Stop thinking. Das ist ein Befehl. Es war doch so schön. Warum jetzt alles kaputtmachen? Ach, Paul, ich bin nicht so doof, wie du jetzt vielleicht denkst. Ich war doch nur nervös.
MITTWOCH, 6. NOVEMBER 2002 – SHANTI, SHANTI, SHANTI
Mann, bin ich schlecht gelaunt! Ich verstehe das gar nicht. Sonst laufe ich in den Tagen nach einer Begegnung mit Paul dauergrinsend durch die Gegend und terrorisiere meine Umwelt mit fröhlichem Pfeifen und einer unerträglich aufgeräumten Stimmung. Dieses Mal nicht. Dabei war es am Montag mit Paul vielleicht sogar noch toller als die Male davor. Das macht mir ein bisschen Angst. Wo soll das hinführen? Es ist ja nicht so, dass der erste Sex mit ihm schlecht gewesen wäre und esjetzt langsam besser würde. Nein, im Gegenteil, schon das erste Mal war gigantisch. Und jetzt bin ich schon so weit, dass mir die beschreibenden Worte ausgehen. Das berühmte Erdbeben trifft es noch am ehesten.
Aber ich schweife ab. Ich bin schlecht drauf, übellaunig, kratzbürstig und ein bisschen novemberdepressiv. Also beschloss ich gestern, wieder mal in Yoga zu gehen.
Als ich nach halbstündiger Parkplatzsuche abgehetzt im Yoga-Zentrum eintreffe, hat die Stunde vor zehn Minuten begonnen. Ich stürze an dem «Du-nimm-dir-erst-mal-nen-Tee-du»-Typen am Eingang vorbei in die Umkleide und werfe mich in meine (nicht 100 % baumwollene, Schande) Sporthose. Fünf Minuten später liege ich neben 20 anderen Entspannungswilligen auf dem harten Sisalteppichboden und versuche, Leichtigkeit einzuatmen. Ehrlich gesagt, atme ich erst mal nur Räucherstäbchengestank ein, und mir wird schlecht. «Wenn Gedanken kommen, lasst sie einfach vorüberziehen wie Wolken …», säuselt Yogalehrerin Isholdi (Isolde aus Fürstenfeldbruck). Prompt kommen sie, die Gedanken. Gedanken an Paul. Quälende Gedanken daran, dass es nicht so recht vorangeht mit ihm und mir. Angst, etwas falsch zu machen und ihn zu vergraulen. Shanti, Marie, denke ich – wenn schon Gedanken, dann wenigstens schöne! Doch nicht mal die Erinnerung an Pauls Haut auf meiner, an seine hungrigen Küsse und seinen Blick, als er meinen BH aufhakte, können helfen. Steif wie ein Brett und so entspannt wie ein 10 0-Meter -Läufer vor dem Start liege ich da. Das hat heute keinen Sinn.
Später sitze ich bei Vroni auf dem Sofa, wir schlürfen unseren selbst kreierten Lieblingscocktail (eine krude Mischung aus Wodka, Limettensaft, Grenadine, Cointreau und einem undefinierbaren violetten Sirup) und sehen «Sex and the City» an. Carrie ist glücklich mit ihrem neuen Freund – dann jedoch trifftsie Mr. Big auf einer Party. Gerade hatte sie ihn erfolgreich aus ihrem Leben verbannt. Kurze Zeit später – der neue Boyfriend holt gerade Kaffeefilter vom Koreaner an der Ecke – steht Big vor Carries Wohnungstür, völlig fertig, und sagt ihr, wie sehr er sie vermisse …
«Big ist ein Arsch», stellt Vroni fest und zerbeißt lautstark einen Eiswürfel.
«Wieso ist er ein Arsch?»
«Weil er ein Arsch ist. Was fällt ihm ein, nach einem Jahr einfach wieder in ihrem Leben aufzutauchen und alles kaputtzumachen?»
«Aber wenn er sie doch noch immer liebt …», gebe ich zu bedenken.
«Das ist keine Entschuldigung. Ein Jahr zuvor wollte er sie nicht. Jetzt ist sie über ihn hinweg, und er hat kein Recht, wieder bei ihr anzuklopfen!», murrt Vroni.
«Wenn sie über ihn hinweg wäre, würde er sie nicht so verunsichern!»
«Sie kann nicht über ihn hinwegkommen, wenn er ständig wieder auftaucht!»
«Er ist halt ihre große Liebe», sage ich nachdenklich und rühre mit dem Strohhalm in meinem Neuhausen Fizz, «und über diese eine große Liebe kommt man nie wirklich hinweg …»
«Es sei denn, man zieht mit ihr zusammen und klaubt täglich ihre dreckigen Unterhosen vom Badezimmerboden auf!», relativiert Vroni meine Aussage.
«Du meinst wohl
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