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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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ist denn das? Meine Rettung! Eine Fünf-Minuten-Terrine. Die gesunde Ernährung muss warten, bis die Geschäfte morgen wieder geöffnet haben.
     
    Immer wenn ich eine 5-Minuten -Terrine der Sorte «Spaghetti in Tomatensoße» esse, werde ich philosophisch. Broccoli-Nudel-Topf oder Kartoffelbrei haben diesen Effekt nicht. Normalerweise denke ich dann gerne darüber nach, was ich will in meinem Leben, ob ich mich als Versagerin fühlen muss, weil ich mein Studium immer noch nicht beendet habe, oder ob es nicht viel toller ist, dass ich seit fast zehn Jahren keinen Cent mehr von meinen Eltern angenommen habe. Ich denke darüber nach, ob ich zufrieden sein kann mit meinem Leben, weil ich gesund bin, genug Geld habe, tolle Freunde und eine hübscheWohnung in der schönsten Stadt des schönsten Bundeslandes von Deutschland. Bitte jetzt nicht das Buch an die Wand werfen, Hamburger, Berliner, Düsseldorfer und Vogelsang-Warsiner, klar sind eure Wohnorte auch total klasse. Ich verbringe gerne mal ein Wochenende an der Alster und liege an der Strandperle im Elbsand, ich liebe es, in der Hauptstadt Doppeldeckerbus zu fahren und mich von den Fahrern anschnauzen zu lassen, ich bin auch gerne am Rhein, trinke dort eure lustigen Löschzwerge, die ihr Bier nennt, und komme mir furchtbar bayerisch-urig-exotisch vor. In Vogelsang-Warsin im Kreis Uecker-Randow in Thüringen war ich noch nicht, muss ich gestehen, ich bin mir auch nicht sicher, ob ich viel verpasst habe, aber ich gehe im Sommer gerne mal auf Dorffeste oder Feuerwehrjubiläen in Oberpframmern oder Egmating und weiß, was Landleben heißt und dass es durchaus seine Reize hat.
     
    Jedenfalls frage ich mich normalerweise über der Terrine, ob «Leben» nicht mehr bedeutet, ob ich nicht häufiger rauschhafte Nächte mit galaktischem Sex haben sollte (ach, Paul!), ob ich nicht mit dem Rucksack die Welt durchqueren oder zumindest irgendwo in New York, Bangkok oder Melbourne sitzen sollte, statt Woche für Woche München die Treue zu halten. Aber ich weiß nicht genau, ob mein Fernweh echt ist oder ob ich nur meine, ich müsse weg von hier, weil die Coolen eben immer «weg von hier» wollen, egal, ob sie mit «hier» Villingen-Schwenningen oder San Francisco meinen. Es ist schwer zu sagen, ob ich wirklich Lust habe, monatelang im gleichen T-Shirt und ohne Wella-Himbeerkugeln-Vollbad einen Rucksack durch feuchtheiße Länder zu schleppen, oder ob ich das nur wollen will, weil ich sonst was verpassen könnte und weil es sich lässig anhört, wenn ich später von «meiner Zeit in Südostasien» berichten kann. Im Prinzip bin ich, glaube ich, ein ziemlich bodenständiger Mensch, bodenständiger, als ich wahrhaben möchte. Vermutlich würde ich nach drei Wochen unter Palmenschreckliche Sehnsucht nach einer guten Leberknödelsuppe bekommen, einen gemütlichen deutschen Regentag vermissen und mich schlicht und einfach mit Heimweh herumquälen. Ich bin nicht der Typ, der nicht in Deutschland leben will. Erstens ist es anderswo auf Dauer auch nicht besser, weil man seine Probleme überallhin mit sich schleppt, und zweitens lebe ich gerne hier. Ich mag es sogar, dass alles seine Ordnung hat und geregelt ist. Als ich mal in Griechenland ein Auto mieten wollte und entsetzt feststellte, dass mein Führerschein auf der Kommode im Neuhausener Flur lag, winkte man lässig ab und teilte mir mit, hier könne man mit der Geburtsurkunde ein Passagierflugzeug mieten. Seitdem bin ich ein klein wenig nervös, wenn ich mit Olympic Airways fliege.
     
    Wie sehr ich an meiner Heimat hänge, merke ich immer, wenn ich in Deutschland unterwegs bin. Neulich war ich wieder mal im Ruhrgebiet. Dort mutiere ich, deren Mutter aus Lüchow-Dannenberg stammt, regelmäßig zum Prototyp des Münchner Kindls. Und es macht mir einen Heidenspaß. Plötzlich finde ich, dass ich im Grunde ziemlich starken Dialekt spreche. Ich, die eigentlich bisher nur einmal in ihrem Leben ordentliches Bayerisch von sich gab, und zwar, als ich vor ein paar Jahren in einer Kneipe auf dem Land kellnerte und mich ein Gast verständnislos anstarrte, als ich ihn fragte: «Willst du noch ’n Bier?» «Mogst no a Hoibe, nachad bring i da oane», wiederholte ich damals, worauf er begeistert mit «Ja, oiwei!» antwortete. In Krefeld, Düsseldorf oder Dortmund jedenfalls muss ich immer München repräsentieren, auch wenn das manchmal in Peinlichkeit ausartet. Als ich das erste Mal dort war, lag ich in der Kneipe nach einer Stunde halb unter dem

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