Wer ist eigentlich Paul?
besten durch Sex und Zärtlichkeit ausdrücken können und weniger durch Worte oder andere Taten wie Frauen. Manche können ihre Gefühle sogar ausschließlich durch Sex zeigen. Jawoll.
Trotzdem schadet es nichts, nicht immer Zeit zu haben, wenn Paul mich sehen will. Meine Sehnsucht ist riesengroß und wächst von Stunde zu Stunde. Heute kommt Paul aus den Bergen zurück und hätte Zeit für mich. Aber ich nicht für ihn. Ich habe mich kurzfristig entschlossen, mit Max, Vroni und Marlene zum Dreikönigsspringen nach Bischofshofen zu fahren. Skispringen. Das schöne Wetter, die überzuckerten Berge und das Spektakel rund um Hannawald, Ahonen und Hautamäki werden mir gut tun und mich ablenken.
Um 14 Uhr soll das Hauptspringen losgehen, gegen 13 Uhr sind wir vor Ort. Es ist sonnig, lausig kalt und ziemlich überfüllt. Auf dem Fußweg zur Sprungschanze treffen wir auf Scharen von für die Tageszeit beeindruckend betrunkenen Österreichern. Das geht ja gut los. Nein danke, ich will jetzt nicht Jägermeister aus einem Schlauch trinken, echt lieb gemeint, später vielleicht. Ich habe noch nicht mal gefrühstückt! Kurz vor dem Eingang zum Zielgelände, für das wir Karten besitzen, ist Schluss. Nichts geht mehr. Was nun?
«Ich schau mal auf den Hügel rauf», sagt Max, «ob ich von dort sehen kann, warum es nicht weitergeht. Bin gleich wiederda.» Und schon ist er weg und joggt den Berg hinauf. Ich bin beeindruckt. Als wir noch zusammen waren, war immer ich diejenige, die auf solche Ideen kam und die Initiative ergriff. Wären wir noch ein Paar, Max und ich, würde
ich
jetzt den Hügel hinaufkeuchen. Ich sehe ihm nach. Er sieht echt klasse aus, knackig und appetitlich. Ist mir das früher einfach nie aufgefallen, weil er mein Freund war, oder hat er sich verändert? Ich kann es wirklich nicht sagen. Immerhin habe ich ihm oft gesagt, dass sein schmaler, aber knackiger Po sein schönster Körperteil ist, dieser Po mit den süßen, tiefen Einbuchtungen an den Seiten und ohne die lästigen Einbuchtungen, die man Cellulite nennt. Haben Männer überhaupt Cellulite? Egal. Jedenfalls wusste er mein Kompliment nie zu würdigen, im Gegenteil, ich hatte eher immer den Eindruck, dass er ein bisschen beleidigt war …
«Marie?»
«Ja, hier!» Der Po ist weg und Max mit ihm. Ich starre blicklos in die grüne Wiese, auf der etwas Reif liegt.
«Komm, wir rauchen erst mal eine», schlägt Marlene vor und hält mir die Zigarettenschachtel hin. Gute Idee. Erst mal eine rauchen hat sich bisher immer bewährt. Hat mich vor einigen Kurzschlusshandlungen («Ich rufe ihn jetzt auf der Stelle an und sage ihm, dass ich ihn niiiiiiie wieder sehen will!») bewahrt und mir einmal sogar das Leben gerettet. Vielleicht. Da kam ich gerade von Paul und zitterte am ganzen Körper noch so, dass ich mich an mein Auto lehnte und erst mal eine rauchte, bevor ich mich für fahrtüchtig befand und den Motor startete. Einen Kilometer weiter stand ich im Stau. Auf dem Mittleren Ring hatte sich ein riesiger Unfall ereignet, ein Lkw war umgekippt und hatte einen Kleinwagen samt Fahrer unter sich begraben. Das Ganze war nur eine Zigarettenlänge her. Da sage noch einer, Rauchen sei ungesund! Ja, ich weiß, in den politisch und pädagogisch korrekten Vorabendserien rauchen nur dieBösen, die, die freundlich tun, aber Böses im Schilde führen, diejenigen, die später auch Alkoholiker werden, Drogen nehmen oder zumindest eine ernsthafte Straftat begehen. Aber wenn man das Fernsehprogramm ein paar Stunden weiter Richtung Mitternacht verfolgt, merkt man, dass später Rauchen nicht mehr dazu dient, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Oder im Kino – in «The Beach» wurde so viel geraucht, dass ich, die ich ja nicht körperlich nikotinabhängig bin, ein unwiderstehliches Bedürfnis nach einer Kippe bekam und nach dem Film draußen in der Kälte und an einer Straßenecke, an der es nach Pisse und Abfällen stank, mit meinem Feuerzeug rumhantieren musste. Genau wie die Leute, die ich sonst immer mitleidig und leicht verächtlich betrachte, weil sie es nicht mal zwei Stunden ohne Zigarette aushalten. Ganz schlimm war der Film «Lammbock». Ich liebte diesen Film, aber darin ging es die ganze Zeit um Gras, und es wurde unheimlich viel davon konsumiert. Ich hatte jahrelang keine Tüte mehr geraucht und musste plötzlich wehmütig an die Gardaseefahrt 1998 denken. Es wird mir eh keiner glauben, aber dort habe ich tatsächlich meinen ersten
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