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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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Tisch. Ich hatte gemeint, beim Alt-Trinken heraushängen lassen zu müssen, dass ich aus Bayern bin. Nicht nur, dass ich mehrfach betonte, dass wir daheim ja viiiiiel größere Biergläser haben – ich meinte auch, den Krefeldern meine trinkfeste Überlegenheit beweisen zu müssen,indem ich die 0, 2-Portionen Altbier runterkippte wie Wasser. Leider ergeben zehnmal 0,2 ebenfalls zwei Liter. Ich werde heute noch rot, wenn ich daran denke, wie unmöglich ich mich benahm. Jeder zweite Satz fing mit «Also bei uns   …» an, und die denken wahrscheinlich heute noch, dass ich jeden Tag im Dirndl zur Arbeit gehe und Jodeln bei uns ein übliches Kommunikationsmittel ist. O mein Gott.
     
    Aber ich wollte ja eigentlich etwas ganz anderes erzählen. Wo ist mein roter Faden? Ach ja, die Fünf-Minuten-Terrine. Während ich sie umrühre, damit ihre Temperatur den Siedepunkt verlässt, fange ich heute ausnahmsweise nicht an zu grübeln, was ich im Leben will. Ich grübele darüber, wer ich bin. Ich denke mir so oft «typisch Vroni», wenn meine beste Freundin etwas sagt oder tut. Aber denkt auch mal jemand «typisch Marie»? Gesagt hat es noch keiner, glaube ich. Bin ich so unkenntlich, dass es nichts gibt, was «typisch Marie» ist?
     
    Neulich im Dezember saßen wir im Haidhauser Augustiner, meine besten Freunde und ich, und aus Spaß dachten wir uns Zweitnamen füreinander aus. Da gab es Vroni «Ich bin nicht da, geh du ans Telefon», Bernd «Ich sag ja, es zieht sich zu», Marlene «Ich geh zu Fuß nach Hause» und Martin «Ich muss dir unbedingt ein geiles Lied vorspielen». Als sie bei mir angelangt waren, kam der Kellner und teilte uns auffordernd mit, die Kneipe sei seit einer Dreiviertelstunde geschlossen. Also gingen wir, ohne dass ich meinen Zweitnamen bekommen hatte. Ich habe den Verdacht, dass der Kellner meinen Freunden ganz gelegen kam, weil sie sich so peinliches Schweigen ersparten. Marie, ähem, hmmmmm, also   …. Marie «Zu der uns nichts Typisches einfällt»? Grummel. Ich glaube, so ist es wirklich. Warum sonst übernehme immer nur ich Redewendungen von meinen Freunden und nie umgekehrt? Ich kannte Vroni keine drei Wochen, da hatte ich schon ihr «a Riesn-Gschicht!» in Wortund Tonalität komplett verinnerlicht. Bernds «approximativ» habe ich mir an einem W G-Abend angeeignet und werde es seitdem nicht mehr los. Und wer, bitte schön, hat sich was von mir einverleibt? Paul sagte mal, wie toll er es fände, wie ich das Wort «furchtbar» ausspreche, mit dem bayerischen «ch» wie in «machen» und ohne «t». Seitdem ist es in meiner Benutzerstatistik wohl einige Plätze nach oben geklettert.
    Aber es hat sich keiner was aus meinem Sprech-Repertoire angewöhnt. Es ist ja jedem schon mal aufgefallen, dass enge Freundinnen oft ähnlich reden. Bei mir und Vroni ist das auch so, wenn wir viel Zeit miteinander verbringen. Komischerweise habe ich das Gefühl, dass ich dann rede wie sie und nicht umgekehrt. Hmpf. Bin ich wirklich so konturlos, dass ich auf niemanden «abfärbe»? Oder bekommt man das einfach nicht mit? Vielleicht sagen meine Freunde ja dauernd «Das ist typisch Marie», wenn ich nicht dabei bin?
     
    So, jetzt ist die Fünf-Minuten-Terrine wieder mal kalt, und die Oberfläche bildet schon Risse. Bäh. Dabei hatte ich doch eigentlich Hunger. Typisch Marie.

MONTAG, 6.   JANUAR 2003 – FLIIIIIIEG!
    Ich habe beschlossen, Paul noch eine Chance zu geben. Er scheint wirklich etwas für mich zu empfinden. Okay, unsere Korrespondenz der letzten Tage bzw. Nächte beschränkte sich thematisch rein aufs Sexuelle. Aber für mich wiegt die SMS vom 1.   Januar weitaus schwerer. «Ich danke Dir für das letzte Jahr. Freue mich auf Dich in 2003.   Als Person. Als Frau. Als Geliebte. Du weißt gar nicht, wie sehr ich Dich vermisse. Kuss, Paul». Klingt nicht danach, als sei sie unter Einfluss von drei Flaschen Rotwein oder zu viel Mitternachts-Prosecco entstanden, oder? Orthographisch korrekt. 158 von 160 möglichenZeichen ausgenutzt. Mit Groß- und Kleinschreibung. Sogar die «Dus» hat er großgeschrieben. Alles Zeichen für die Ernsthaftigkeit der Message. Also glaube ich daran. Fest und unerschütterlich. Dass es Paul ansonsten nur darum ging, wie er mich wo und auf welche Weise vernaschen wird, wenn wir uns wiedersehen, sagt gar nichts aus. Dieses starke Bedürfnis nach Sex mit mir ist eben der Ausdruck seiner großen Liebe. Ich habe mal in einer Frauenzeitschrift gelesen, dass Männer ihre Liebe am

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