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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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Trübsal blasen ist nicht besonders sexy. Ich wollte Paul vergessen, noch vor acht Tagen. Mein fester Vorsatz für 2003.   Aber wer konnte auch ahnen, dass er sich für dieses Jahr anscheinend vorgenommen hat, alles wieder gutzumachen und nett zu mir zu sein? Ich bin keine Prinzipienreiterin, die eisern an ihren Vorhaben festhält. Ich binflexibel und total offen. Man muss das Leben nehmen, wie es kommt, und auch bereit für spontane Richtungswechsel sein. Na gut, wenn ihr wollt, dürft ihr mich ab sofort «Miss Inkonsequent» nennen. Damit habe ich gar kein Problem.
     
    Ah, da ist ja die CD, die ich suche. «So wie einst Real Madrid» von den Sportfreunden Stiller, ein Relikt aus musikalisch sehr lehrreichen Jahren, aus den Jahren, in denen ich mit Max zusammen war. Durch Max entwickelte ich erst Musikgeschmack, vor ihm kannte ich nur die Songs, die im Radio gespielt wurden. Anfang der neunziger Jahre tanzte ich im «Terminal» am Alten Münchner Flughafen zu Ace of Base, Twenty 4   Seven («Is It Love») und Culture Beat. Gemeinsam hatten die alle einen billigen Dance-Beat, eine eingängige (und oft geklaute) Melodie, meist von Frauen gesungen, und im Mittelteil einen rappenden Afro-Amerikaner. Ich fand das damals prima. Ich kannte es nicht anders. Ein Wunder, dass Max damals nicht sofort von unserer zwei Tage jungen Beziehung zurücktrat, als er meine C D-Sammlung in Augenschein nahm. Damals wusste ich noch nicht, dass ich keinen Musikgeschmack besaß und wie wichtig ihm Musik war. Durch ihn lernte ich in den nächsten Jahren guten Sound kennen. Oasis, Marillion, Depeche Mode (okay, die kannte ich schon vorher, allerdings wusste ich nicht, dass sie außer «Enjoy The Silence» noch andere Hits geschrieben hatten), Alan Parson’s Project, Greenday, Radiohead, um nur einige zu nennen. Und im Jahr 2000 lernten wir dann gemeinsam Coldplay kennen, bekanntermaßen meine Lieblingsband. Genial, der sensible, intelligente, interessante Sänger Chris Martin. Weniger genial von ihm, dass er ausgerechnet mit Gwyneth Paltrow zusammen ist. Mit dieser makrobiotisch-spaßfreien, blutleeren Zicke, deren Oscar mir bis heute ein Rätsel ist. Seit wann gibt’s Filmpreise fürs Nichtschauspielern? Das wäre ja so, als würde jemand den Pulitzerpreis dafür erhalten, dass er ein weißes Blatt Papier einreicht.Wahnsinnig innovativ und rebellisch. Wenn ich mal zu viel Geld und Zeit habe, gründe ich als Erstes einen «Wir hassen Gwyneth Paltrow»-Club.
     
    Aber ich schweife schon wieder ab. Ich wollte die Sportfreunde Stiller in den C D-Player legen. Super Surf-Sound.
    In all den wunderbaren Jahren, in denen ich nur knapp verlor, um eine Haaresspitze breit – ich war wohl noch nicht bereit – daran vorbeigeschlittert bin mit geschlossenen Augen und eingesperrtem Sinn, mit einem Herz, das wohl zu lang auf Eis gelegen hat. Oder war’s die Gelegenheit, die gefehlt hat – in all den Jahren   …
    Ich gestehe, ich kapiere nicht genau, worum es geht – Fußball? Beziehung? Magisterarbeit? Stadtlauf? Aber egal, das Lied macht gute Laune. Und definitiv wach. Meinen Nachbarn anscheinend auch.
     
    So. Anziehen. Was ziehe ich bloß an? Halt, Marie, ganz langsam. Heute ist Mittwoch. Paul kommt morgen, Donnerstag. Keine Panik. Du hast noch über sechsunddreißig Stunden Zeit, entweder etwas Passendes in deinen zwei Kleiderschränken zu finden oder zur Not etwas Neues käuflich zu erwerben. Ich werfe mich also in meine Lieblingsklamotten, Jeans und schwarzer Rollkragenpulli, schlürfe meinen Kaffee, rauche eine Zigarette, obwohl mir morgens schlecht davon wird, und überlege, womit ich am besten beginne. Das Unangenehmste zuerst, wäre normalerweise meine Devise, aber das ist der Termin bei meiner Professorin. Und der ist nun mal erst heute Abend um 18   Uhr. Mist. Die StaBi macht auch erst um neun auf. Also putzen.
     
    Eine halbe Stunde später landet der Pulli in hohem Bogen auf der Couch, und ich versuche, die Speckfalten zu ignorieren, die sich über dem Bund meiner Jeans bilden, während ich auf dem Boden knie und mich bemühe, den Staubsaugerschlauch reptilienartig unter dem Sofa hin und her zu schlängeln, damit er die Wollmäuse einsaugt. Flupp-schmatz-tschock. Das war jetzt entweder eine Riesen-Wollmaus oder die eine graue Socke, die ich seit Wochen schmerzlich vermisse. Wozu habe ich eigentlich vorhin geduscht? Und wann habe ich das letzte Mal hier sauber gemacht? Früher dachte ich, Putzen hieße, fünf Minuten lang zu

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