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Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
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Wanne sitzen, denn es bleibt mir nichts anderes übrig! Aus der komme ich ohne fremde Hilfe im Leben nicht mehr heraus. Baden wollte Lewadskiunbedingt. Bei dieser Badewanne wäre es eine Sünde gewesen, nicht zu baden!
    Mögen die Sonnen untergehen, aber aufs Baden will ich bestehen!, reimte Lewadski. Traurigkeit schnürte ihm den Hals zu. Seine alte schimmlige Badewanne stand plötzlich vor ihm, stumm und ohne Vorwurf. Es war ein Abend wie alle anderen gewesen, Lewadski kam von seinem Pflichtspaziergang nach Hause, briet sich ein Spiegelei, setzte sich in seinen Schaukelstuhl und blätterte in der Broschüre Pedantische Müllabfuhr und ihr Einfluss auf die Ernährung der Greifvögel , gähnte, stand auf, schlurfte ins Bad und ließ das Badewasser ein. Dann überlegte er es sich anders und zog den Stöpsel heraus. Duschen würde genügen. Ein Abend wie alle anderen. Doch etwas stimmte nicht. An diesem Abend verging Lewadski die Lust, in seine Badewanne zu steigen, aus dem einfachen Grund, weil sie ihm nicht mehr gefiel. Sie gefiel ihm nicht mehr, weil sie unverschuldet alt geworden war. Sie alterte, bekam immer weniger Putzeinheiten von ihrem Herrn und bald auch tiefe Kratzer. »Seit Jahrzehnten habe ich kein Schaumbad mehr genommen«, dachte Lewadski. Eines war sicher: Könnte seine alte Wanne diese hier sehen, würde sie vor Kummer einen Riss bekommen.
    »Ich will baden«, flehte er in den Telefonhörer an der Wand des Badezimmers.
    »Der Herr beliebt ein Bad zu nehmen«, konstatierte der Concierge voller Anteilnahme.
    »Einen kräftigen, möglichst kurzsichtigen Hotelangestellten hätte ich gerne«, fügte Lewadski schamhaft hinzu, »einen, der mich nach dem Baden aus der Wanne ziehen kann.«
    »Ich werde dem Herrn einen Brillenträger vorbeischicken«, flüsterte der Concierge. Lewadski bedankte sich und legte auf.
    Ein stämmiger junger Mann mit von weitem sichtbaren Augenringen und einer albernen Kappe auf dem runden Kopf betrat das Zimmer. Auf seiner Kappe leuchtete in goldener Kursivschrift der stolze Name des Hotels und der Stadt Wien. Wie ein verlegener Zirkusbär, Hände zum Gebet gefaltet, bewegte er sich auf Lewadski zu.
    »Butlerservice, grüß Gott«, sagte der junge Mann, als er vor Lewadski stand.
    »Wissen Sie, was das Schönste neben dem Badezimmer an dieser Suite ist?«, fragte Lewadski und antwortete selbst – »das Klingeln an der Tür. Diese Melodie! Sie ist gar nicht leise und trotzdem angenehm.«
    Der Butler, dessen Wiege Lewadskis Einschätzung nach in einer sandumwehten orientalischen Oase gestanden sein musste, lächelte großzähnig. Auf dem spiegelnden Namensschild an seiner Brust war das Wort Habib eingraviert. Habib schaute Lewadski aufmerksam an, wie jemand, bei dem man nicht weiß, ob er interessiert zuhört oder bloß die Falten im Gesicht seines Gegenübers zählt.
    »Ich trage Kontaktlinsen, Sie wollten einen Kurzsichtigen haben.«
    »Ich wollte baden«, sagte Lewadski, »aber ich komme alleine nicht mehr aus der Wanne heraus. Wenn Sie so freundlich wären, mir unter die Arme zu greifen, wenn ich fertig bin, und ein Auge zuzudrücken.« Der Butler staunte.
    »Ein Auge schließen, wenn ich Sie aus dem Wasser ziehe?«
    »Einfach wegschauen«, lachte Lewadski. Der Butler verstand. Auch er werde eines Tages alt werden, niemand entgehe dem Schicksal.
    Mehrmals forderte Lewadski den Butler auf, Platz zu nehmen, während er in der Badewanne lag, doch der blieb im wahrsten Sinne des Wortes standhaft. Man sitze nicht vor dem Gast.Lewadski versuchte zu argumentieren. Er könne nicht kommod im Wasser plätschern bei dem Gedanken, jemand stehe hinter ihm. Habib willigte ein, sich auf den Puff zu setzen und zu warten. »Warum nicht in den Sessel oder auf das schöne sechsbeinige Sofa?« Der Butler versicherte, er brauche keine Lehne zum bequemen Sitzen.
    In der Badewanne dachte Lewadski über bequemes Sitzen nach. Eine Lehne gehört dazu. Unbedingt. Man kriegt ja Rückenschmerzen ohne Lehne. Aber wer weiß, vielleicht ist das Wahren der Form die einzig sinnvolle Art der Bequemlichkeit. Wir beschließen, uns dadurch wohl zu fühlen, viel wohler als zusammengesackt auf einem orthopädisch optimierten Möbelstück.
    »Mögen Sie Beethoven?«, rief ihm der Butler in den Schlaf hinein. Lewadski fuhr hoch und fasste sich mit nasser Hand an die Brust. Jedes Mal, wenn er das Gefühl hatte, sein Gebiss sei weg, musste er sich an die Brust fassen.
    »Ja«, rief er heiser zurück. Wieso fragte er ihn

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