Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
Vom Netzwerk:
Stubenmädchen ließ Lewadski ein Bild mit zwei Grabsteinen betrachten und klickte dann fröhlich weiter. Auf einem überbelichteten Foto umarmte ein Junge ein Mädchen auf einem Kinderfahrrad. »Kinder meines Bruders. Und hier ich.« Inmitten wuchernder Büsche erkannte Lewadski das Stubenmädchen. Es trug ein Hemd mit überdimensional großen Himbeeren. »Himbeeren da hinten. Marmelade, Saft, eigene Produkte, in Novi Pazar wir haben alles. Hier Brief für Sie. Von Rezeption. Fast vergessen. Und jetzt ich gehe.«
    Lewadski nahm den Brief entgegen. Die schlichte Feierlichkeit des Augenblicks trieb ihm eine Träne ins Auge, doch der erstaunlich feste Händedruck des Stubenmädchens mit dem Himbeergarten und dem ungebauten Haus heiterte ihn augenblicklich wieder auf.
    Sehr geehrter Herr Lewadski,
    da Sie gestern unseren Butlerservice beansprucht haben, möchten wir Sie höflichst darauf hinweisen, dass Sie auf die Dienste unserer Butler während Ihres gesamten Aufenthalts in unserem Hause jederzeit zurückgreifen können. Wenn Sie Interesse an einem persönlichen Butler haben, rufen Sie bitte die Rezeption an.
    Lewadski kaute gerade an einer Banane, als das Telefon klingelte. »Herein«, rief Lewadski Richtung Tür. Ein Stück Banane fiel ihm dabei zu seinem Ärger aus dem Mund und auf den Teppich. Das Telefon klingelte noch einige Male, bevor Lewadskis Blick von der Tür abließ. Schaukelnd und keuchend richtete er sich auf, trottete zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
    Der Concierge wünschte Lewadski einen guten Morgen. Das wünschte Lewadski dem Concierge auch. Den Brief habe er eben gelesen und er wäre an dem Butler von gestern interessiert. Der Concierge begrüßte diese kluge Entscheidung, indem er eine anerkennende Pause machte. Der Butlerservice werde von Lewadskis Kreditkarte am Ende seines Aufenthalts abgebucht, zusammen mit den Extras,meinte der Concierge. »Welche Extras?«, wollte Lewadski wissen.
    »Telefon, Internet, Minibar, Frühstück, Hotelbar, Restaurant, Friseur«, zählte die Concierge-Stimme auf.
    Und Beerdigung, dachte Lewadski und kicherte in den Hörer.
    »Sehen Sie den Butler-Knopf auf Ihrem Telefon? Über dem Knopf ist ein Mann mit schwarzer Fliege und Kaffeetasse abgebildet«, sagte der Concierge. Lewadski sah ihn. Er müsse jetzt nur einmal den Knopf betätigen und der Butler werde kommen.
    »Wenn ich auf den Knopf drücke, möchte ich, dass Habib kommt.«
    »Aber selbstverständlich, gnädiger Herr. Habib wird umgehend benachrichtigt.«
    So weit ist es gekommen, dachte Lewadski, ein orientalischer Jüngling dient einem alten Ruthenen. Vom Ruthenen zum Bohemen, reimte er.
    Lewadski zog sich zum Frühstück an. Einen neuen Anzug zu kaufen war, zusammen mit dem Vorsatz, den Tod genüsslich in einem Grandhotel zu erwarten, eine der besten Ideen seines zu lang gewordenen Lebens gewesen. Obwohl, dachte Lewadski, gerade jetzt erscheint mir alles Gewesene recht kurz geraten. Dieses bisschen Zeit, das ich mir um die Ohren geschlagen habe. Ein Pfützchen! Lewadski band sich seine Lieblingsfliege mit den rotschnäbligen Enten um und wunderte sich über den seltsamen Ausdruck. Warum dachte er eben an ein Pfützchen? Im riesigen Spiegel verschwieg ihm ein eleganter Zwerg die Antwort.
    Auf dem Meer bin ich geboren
    auf dem Meere ward ich groß;
    zu dem Meer hab ich geschworen
    es zur ew’gen Braut erkoren:
    sinket drum des Todes Los
    auf dem Meer stirbt der Matros’,
    sang Lewadski vor sich hin. Es war ihm, als hätte sein Leben von ihm geträumt, von einem Künftigen und Entschlossenen, von einem endlich Unvernünftigen und Mondänen, von einem, für den es sich gelohnt hätte, zu sein. Und nun wäre er vollkommen und sein Leben träte aus ihm selbst heraus, um sich vor ihn hinzustellen und ihn zu bestaunen: Unnütz bist du geworden, Lewadski. Pfui!
    Fein herausgeputzt und mit leichtem Hungergefühl trat Lewadski auf den Flur. Der Aufzug ließ nicht lange auf sich warten und öffnete seine goldene Brust. Von allen Seiten schaute Lewadski ein kleiner glatzköpfiger Dandy an. Dieses Hotel ist ein Schiff, dachte Lewadski, als er in den Aufzug stieg, ein Schiff, und ich bin eine Lachmöwe auf dem Deck.

E
    AUSGANG / EXIT
    HALLE / LOBBY
    RESTAURANT / CAFE / BAR
    Eine Lachmöwe auf dem Deck. Larus ridibundus. Larus, Larus ... Wie eine Beschwörung klingt der Name. Den Anzug habe ich gut gekauft, meiner Treu ... da ich, hier ich, ich und mein Atem, ich und mein dünnes Seelchen. Wie flach die Tasten

Weitere Kostenlose Bücher