Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
Vom Netzwerk:
haben, Miss O’Rourke. Aber ich versichere Ihnen, es ist nicht meine Art, nichtsahnende Personen zu überfallen – besonders dann nicht, wenn sie bewaffnet sind.«
    Olivia stockte der Atem. »Sie kennen meinen Namen?«
    »Wie Sie sehen.«
    »Woher wissen Sie, wer ich bin?«
    »Ich weiß es nicht, außer vom Hörensagen. Strenggenommen kann man überhaupt nicht sagen, daß man einen anderen kennt.«
    »Das ist entweder hohe Metaphysik«, sagte sie spöttisch, »oder eine niedrige Ausflucht. Was sind Sie – ein Philosoph oder ein Betrüger?«
    Er warf den Kopf zurück und lachte mit so aufrichtiger Belustigung, daß Olivia ebenfalls lachen mußte. »Wissen Sie, manchmal frage ich mich das selbst! Aber ist das eine ohne das andere möglich? Sagen wir einfach, je nach den Umständen habe ich von beiden etwas.«
    Olivia runzelte die Stirn. »Das finde ich bedauerlich zynisch!«
    »Vielleicht. Es ist schwer, auf dieser Welt zu leben und kein Zyniker zu sein.«
    »Und das«, sagte sie entschlossen, »finde ich billig. Mein Vater sagt, Zynismus ist eine bequeme Tarnung für moralische Feigheit.«
    »Ihr Vater ist ein Mann der Worte, nicht des Handelns. Vielleicht sagt er es deshalb.«
    Olivia hatte nicht damit gerechnet, daß dieser Fremde mit seiner unverblümten Art sie noch weiter überraschen könnte. Aber jetzt war sie einen Augenblick sprachlos. »Sie … kennen meinen Vater?« fragte sie ungläubig. »Woher?«
    Nach einem kurzen Zögern erwiderte er: »Ich habe einiges von ihm gelesen.«
    »Wo?« rief sie aufgeregt. »Hier in Indien?«
    »Nein. In San Francisco. Er hat einen Bericht über die Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter am Coal River geschrieben. Ich war sehr beeindruckt von seiner Aufrichtigkeit und seinem großen Mitgefühl.«
    »Dann kennen Sie meine Heimat aus eigener Erfahrung?« Olivia hatte Heimweh, und das machte ihr diesen Unbekannten plötzlich sympathisch. Seine vielen Verstöße gegen das gute Benehmen waren vergeben, und sie fragte aufgeregt: »Sie haben in Amerika gelebt?«
    Wieder zögerte er. »Ja.« Er stand unvermittelt auf, griff nach einem Stein und ließ ihn über das Wasser hüpfen. Die Geste verriet auf subtile Weise, daß dieses Thema erledigt war. »Sind Sie deshalb unglücklich? Weil Sie von Ihrem Vater getrennt sind?«
    »Mein Vater fehlt mir, aber ich bin keineswegs unglücklich.«
    Ihr scharfer Ton schien ihn nicht zu stören. Wenn die Feststellung eine Zurechtweisung enthielt, was der Fall war, dann schien er es nicht zu merken. Statt dessen fragte er: »Arbeitet er noch als Journalist?«
    Diese Frage war weniger ungehörig als seine anderen, und da Olivia nicht oft Gelegenheit gehabt hatte, über ihren Vater zu sprechen – und noch nie mit jemandem, der seine Arbeiten aus erster Hand kannte –, erwiderte sie bereitwillig, ja enthusiastisch: »O ja. Er ist vor kurzem nach Hawaii gefahren, um sich selbst ein Bild von der Abschlachtung der Wale im Pazifik zu machen, denn er ist entschieden dagegen. Er drängt auf strenge Gesetze, um das wahllose Töten zu beenden.«
    »Ach!« Selbst im schwachen Licht war zu sehen, daß er fragend eine Augenbraue hob, als er ihr das Gesicht zuwandte. »Er glaubt also immer noch daran, daß es richtig ist, gegen Windmühlen zu kämpfen, selbst wenn er weiß, daß der Kampf aussichtslos ist?«
    »Er glaubt an Prinzipien«, verbesserte Olivia ihn scharf. »Und daran, daß es besser ist zu kämpfen und zu verlieren, als den Kampf erst gar nicht aufzunehmen. Glaubt das nicht jeder anständige Mann?«
    »Möglicherweise. Ich behaupte nicht, anständig zu sein, und glaube es nicht. Ich glaube daran, daß ich gewinne – sonst nehme ich den Kampf nicht auf. Die Welt ist Verlierern gegenüber intolerant.«
    »Und Sie gewinnen immer?« fragte Olivia erregt und überlegte gleichzeitig, ob sie verrückt war, sich mitten in der Nacht am Fluß mit einem Mann zu streiten, dessen Namen sie nicht kannte und dessen Gesicht sie nicht sehen konnte. Es war eine sehr seltsame Situation.
    »Ja, immer.«
    Er kam ihr schrecklich eitel vor! »In diesem Fall müssen Sie entweder ungewöhnliches Glück haben, oder Sie geben sich Selbsttäuschungen hin – oder beides.«
    »Ich glaube nicht an Glück, und nur Dummköpfe geben sich Selbsttäuschungen hin. Ich mag viele unselige Eigenschaften haben, aber ich versichere Ihnen, ein Dummkopf bin ich nicht.« In seinen Spott mischte sich eine Spur Sarkasmus, als er hinzufügte: »Für eine weiße Mem haben Sie einen

Weitere Kostenlose Bücher