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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Glauben Sie, das erhöht Ihr Ansehen?«
    Er schwieg einen Augenblick. Dann fragte er ganz ruhig: »Weshalb sind Sie so sicher, daß ich der Gesellschaft angehöre, die ich beleidige?«
    Die Gegenfrage verwirrte Olivia. »Wieso, sind Sie kein Engländer?« platzte sie heraus und war deshalb sofort wütend auf sich. Was ging es sie an, wer oder was dieser Mann sein mochte?
    »Weshalb glauben Sie, daß ich Engländer bin?«
    »Es interessiert mich absolut nicht, was Sie sind, aber Sie sehen nicht aus wie ein Eing …«
    Verwirrt und unwillkürlich verlegen, schluckte sie den Rest hinunter, kaute ärgerlich auf der Unterlippe und suchte vorsichtig mit den Füßen nach ihren Sandalen.
    »Und wie soll ein Eingeborener aussehen?« fragte er heftig, und Olivia sah plötzlich, daß er ebenfalls wütend war. »Unterwürfig? Kriecherisch? Soll er sich demütig vor der weißen Memsahib verbeugen?«
    »Nein, natürlich nicht!« Es entsetzte Olivia, daß er sie bewußt falsch verstand. Sie vergaß die wachsamen Hunde und stampfte mit dem Fuß auf. Sofort ertönte wieder Knurren. »Sie wissen sehr gut, daß ich das nicht meine!«
    Sie spürte, wie er sie durch die Dunkelheit hindurch mit Blicken durchbohrte. Aber als er wieder sprach, klang seine Stimme beherrscht. »Sie meinen, wenn ich so schwarz wäre wie die Nacht, würden Sie mich als Eingeborenen akzeptieren. Nun, meine liebe, unwissende Miss O’Rourke, in diesem Land haben wir Eingeborene alle Farben des Spektrums von lilienweiß bis blauschwarz und natürlich alle dazwischenliegenden. Meine Farbe gehört in dieses Spektrum –, aber sie ist nicht englischweiß.« Leise stieß er noch ein paar Worte hervor, die sie nicht verstand, und ließ die Hunde los. Ohne Olivia zu beachten, sprangen sie mit großen Sätzen die Stufen hinauf und verschwanden in der Nacht. Der Mann blieb stehen, wo er war, und blickte mit abgewandtem Gesicht unbewegt über den Fluß. Plötzlich schien er einen Entschluß gefaßt zu haben, denn er drehte sich nach ihr um. »Vielleicht sind Sie so freundlich, Sir Joshua und Lady Bridget Grüße von mir auszurichten. Mein Name ist Jai Raventhorne.« Er sagte das kalt und mit knapper Förmlichkeit. Nach einer angedeuteten Verbeugung lief er schnell hinter seinen Hunden her die Stufen hinauf.
    Er drehte sich nicht mehr nach ihr um.
    Wie gebannt sah Olivia ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwand. In dem Augenblick, als er an ihr vorbeigegangen war, hatte sie einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht werfen können. Was sie gesehen hatte, erschreckte sie. Die Augen in seinem blassen Gesicht, das in einem lebhaften Kontrast zu den dichten, schwarzen Haaren stand, wirkten im Mondlicht beinahe opak. Olivia hatte noch nie einen Menschen mit solchen Augen gesehen. Sie schimmerten unheimlich, und sie waren erschreckend kalt. Sie bemühte sich, ihr Unbehagen abzuschütteln und richtete sich auf, klopfte energisch den Staub aus ihrem Kleid, eilte die Stufen hinauf und zurück in den Garten der Pennyworthys.
    »Wo warst du denn um Himmels willen?« Estelle packte ihre Cousine entrüstet am Arm, sobald Olivia durch die Fliegentür ins Haus schlüpfte. »Alle fragen nach dir, und Mama ist vor Sorge außer sich.«
    »Du übertreibst, Estelle! Ich habe mir nur … die Nase gepudert.« Mit einem Blick auf die Uhr stellte Olivia überrascht fest, daß sie länger als eine Stunde weg gewesen war!
    »Wo? Im Garten? Ich habe gesehen, wie du dich hinausgeschlichen hast.« Estelle kicherte. »Wo hast du denn den armen Freddie gelassen? Liegt wohl völlig entkräftet unter einem Hibiskus?« Sie kicherte wieder.
    »Sei nicht albern! Wenn du es genau wissen willst, ich habe einen Spaziergang an der frischen Luft gemacht. Ich dachte, ich würde in der Hitze hier ohnmächtig werden.«
    »Nun ja, wo immer du gewesen bist«, meinte Estelle, die Olivias Auskunft keineswegs überzeugte, »ich würde an deiner Stelle schnellstens Mama besänftigen, ehe sie das Gefühl hat, eine Hochzeit ankündigen zu müssen.« Mit einem vielsagenden Grinsen drehte sie sich um und schwebte am Arm des geduldig wartenden John Sturges davon.
    Lady Bridget ließ sich leichter besänftigen, als Olivia erwartet hatte. Sie hörte sich die Erklärung und Entschuldigung ihrer Nichte ruhig an, und ihr Tadel fiel bemerkenswert mild aus. Olivias gerötetes Gesicht, die nervös zuckenden ineinander verschlungenen Finger, der gesenkte Blick – Lady Bridget deutete all diese Zeichen nach ihren eigenen

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