Wer Liebe verspricht
bewundernswerten Verstand, Miss O’Rourke. Ich stelle fest, meine Informationen über Sie stimmen.«
Informationen über sie …? Nervös durchforschte Olivia noch einmal ihr Gedächtnis: Konnte es sein, daß sie ihn schon einmal irgendwo getroffen hatte? Olivia verwarf diese Möglichkeit. Es war unmöglich, daß sie einen so schrecklichen Menschen kennengelernt und wieder vergessen hatte! »Was … für Informationen über mich haben Sie?«
Sie hörte, wie er im Halbdunkel etwas suchte, aus der Hosentasche zog, und dann ein Steichholz anrieb. Er hielt eine Pfeife zwischen den Zähnen und ließ sich beim Anzünden Zeit. Die Flamme, die er zwischen beiden Händen schützte, erhellte ganz kurz ein blasses Gesicht und dichte, sehr dunkle Haare. Mehr konnte Olivia nicht erkennen. Er zog ein paarmal an der Pfeife und stieß den Rauch aus, ehe er Olivias Frage bereitwillig und offen beantwortete.
»Ich weiß, daß Ihre Mutter, Lady Bridgets einzige Schwester, bei der Fehlgeburt eines Jungen starb, als Sie sieben waren. Sie ist aus Norfolk, woher ihre adlige Familie stammt, mit ihrem irischen Mann, Ihrem Vater, davongelaufen, weil die Eltern und die Schwester sich der Romanze entschieden widersetzten. Da die Familie sich nicht mit der Heirat abfand, brachte Ihr Vater Ihre Mutter nach Amerika. Ein Jahr später wurden Sie in New Orleans geboren. Damals hatte Sean O’Rourke keine Beschäftigung, die etwas einbrachte, und das Leben war für die Familie sehr hart. Nach dem Tod seiner Frau, den er nur schwer verkraften konnte, fuhr Ihr Vater mit Ihnen im Planwagen nach Kalifornien. Er erreichte Sacramento ohne einen Penny in der Tasche, aber schließlich unterstützte ihn ein Mann namens MacKendrick. Mit seiner Hilfe baute sich Ihr Vater eine Ranch auf, Ihr jetziges Zuhause. Dort schreibt er, und Sie helfen ihm bei der Zucht von Rindern und Pferden.«
Als Olivia ihn sprachlos anstarrte, hob er den Kopf und blickte nachdenklich in den Himmel. »Was noch? Ach so. Die Freiheit, die Ihr Vater Ihnen läßt, hat Sie unabhängig gemacht. Und ihre erschreckenden Vorstellungen finden keine Gnade bei Ihrer durch und durch englischen Tante in dieser konservativen Kolonie. Ihre Tante hat Sie eingeladen, weil sie beabsichtigt, einen reichen englischen Ehemann für Sie zu suchen. Wie ich höre, ist der aussichtsreichste Kandidat derzeit der ehrenwerte Freddie Birkhurst, Kalkuttas begehrtester Junggeselle, allerdings auch der Dorftrottel in Person. Lassen Sie mich nachdenken. Habe ich etwas vergessen?« Er überlegte, schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein, ich glaube nicht. Zumindest ist das der Stand meiner Informationen. Ganz sicher gibt es mehr, aber schließlich kann nicht alles erschöpfend sein, was man aus zweiter Hand erfährt.«
Olivia war bei seiner langen Rede immer stiller geworden. Einen Augenblick herrschte Schweigen. Als die lähmende Starre endlich langsam von ihr wich, sprang sie empört auf. Sofort standen die beiden Hunde vor ihr und knurrten sie mit gefletschten Zähnen an. Der Mann rief sie schnell zurück, sonst hätten sie Olivia zweifellos angefallen.
»Wenn man bedenkt, daß Sie in einem Land aufgewachsen sind, wo man mit Tieren umgehen kann«, sagte er tadelnd und mit schlecht verhohlener Gereiztheit, während er die Hunde an den Halsbändern festhielt, »sollten Sie eigentlich wissen, daß es falsch ist, sich so plötzlich zu bewegen. Schlechte Laune ist eine dumme Entschuldigung für falschen Heldenmut.«
Olivia zitterte, teils vor Angst und teils vor Zorn. Es gelang ihr, mit zusammengebissenen Zähnen zu sagen: »Würden Sie die Güte haben, den verdammten Bestien zu befehlen, mich gehen zu lassen?« »Warum? Weil ich die Wahrheit gesagt habe?«
»Nein. Weil ich finde, Sie sind widerlich, anmaßend und unerträglich von sich eingenommen. Und weil ich diese sinnlose Begegnung beenden möchte.« Olivia war so wütend, daß sie die Worte kaum hervorbrachte.
»Oh! Es tut mir leid, das zu hören. Ich hatte gerade angefangen, mich sehr über den glücklichen Zufall zu freuen, der uns zusammengeführt hat – was mögliche Gespräche anlangt übrigens, eine Oase in Kalkuttas Wüste der Mittelmäßigkeit.« Er gab den Hunden keine Befehle, und beide blieben dementsprechend sehr wachsam und angriffsbereit auf ihrem Platz.
Olivia platzte beinahe vor Zorn, und sie kam sich in der erzwungenen Bewegungslosigkeit allmählich albern vor. »Warum beleidigen Sie ständig die Gesellschaft, der Sie angehören?
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