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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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auf unerträgliche Weise herausgefordert.«
    »Dasselbe könnte man Jai zugute halten. Er ist kein gewöhnlicher Mann, und man kann ihn nicht mit den üblichen Maßstäben messen.«
    »Wie außergewöhnlich auch immer«, sagte sie etwas schärfer, »alle Menschen müssen sich doch an gewisse Regeln und Gesetze halten.«
    Arvind Singh schob die Hooka beiseite und rührte den Kaffee um. »Jai steht unter dem Einfluß von Kräften, die man, vorsichtig ausgedrückt, schwer verstehen kann …«
    »Im Gegenteil, ihn beherrschen Kräfte, die man sehr leicht verstehen kann!« unterbrach sie ihn. »Jede dieser Kräfte ist widernatürlich nur darauf aus zu vernichten.«
    »Richtig. Aber es gibt Haß auf beiden Seiten. Sir Joshua – und die Engländer – können nicht hinnehmen, daß der Sohn einer Dienerin, einer Eingeborenen aus den Bergen, inzwischen so erfolgreich ist, daß er sie bei ihrem Spiel besiegt.«
    »Aber viele Männer aus ähnlich bescheidenen Verhältnissen werden von der Gesellschaft akzeptiert. Warum machen Sie bei Ihrem Freund so großzügig eine Ausnahme und verurteilen die Engländer? Hinter einem solchen Pauschalurteil steckt doch sicher ein Vorurteil!«
    Arvind Singh lachte plötzlich. »Ich hatte vergessen, wie schwer es ist, eine Diskussion mit Ihnen zu gewinnen, Mrs.Birkhurst! Es läßt sich nicht leugnen, daß sowohl Jai als auch Ihr Onkel zu Extremen neigen. Ihr Zusammenprall führt zu Explosionen, bei denen die Trümmer weit verstreut werden.« Er blickte nachdenklich in die Tasse. »Verzeihen Sie, wenn ich etwas Falsches sage, Mrs.Birkhurst, aber ich hatte einmal den Eindruck, daß Sie Jai … bewunderten. Er jedenfalls schätzte Sie ungemein.« Es war ein Beweis ihrer Freundschaft, daß Arvind Singh das ohne Verlegenheit sagen konnte.
    »Wenn ich ihn ›bewundert‹ habe, wie Sie es ausdrücken«, erwiderte Olivia ungerührt und staunte, wie gut Kinjal ihr Geheimnis hütete, »dann hatte ich mich getäuscht. Denn wie auch immer, er hat den Niedergang meines Onkels und den Zerfall seiner Familie herbeigeführt.« Von ihrer eigenen Verstrickung sagte sie nichts. Arvind Singh würde es ohnehin gleich sehen.
    Der Maharadscha breitete hilflos die Hände aus. »Nun ja, führen wir es auf das Unheil zurück, das eine fremde Macht in unserem Land darstellt. Die dadurch entstandenen Spannungen führen oft zu häßlichen Dingen, die – wie glühende Lava – versuchen, an die Oberfläche zu dringen. Früher oder später wird der Vulkan ausbrechen.«
    Olivia registrierte erleichtert die unmerkliche Verschiebung des Themas und fragte: »Denken Sie an einen Aufstand … der Inder?«
    »Ja. Der Aufstand wird klein anfangen, aber das Feuer wird sich ausbreiten, bis das ganze Land in Flammen steht.«
    Olivia erwiderte skeptisch: »Die Macht der Engländer ist zu groß, um wie ein Stein beiseite geschoben zu werden. Zu einem erfolgreichen Aufstand gehören Waffen, nicht nur die zahlenmäßige Überlegenheit.«
    »Unterdrückter Zorn und Enttäuschung sind manchmal stärker als Waffen, meine liebe Mrs.Birkhurst. Das haben die Franzosen mit ihrer Revolution bewiesen – ganz zu schweigen von den Unabhängigkeitskämpfen Ihres Landes. Knechtschaft – ob vom Ausland oder dem eigenen Land aufgezwungen, ob politisch oder ökonomisch bedingt, schwer oder leicht erträglich – Knechtschaft geht überall gegen die Natur der Menschen. Aber«, er lachte, »darüber kann man ewig diskutieren. Vielleicht sollten wir das Thema später wieder aufgreifen, wenn meine Frau Zeit hat, um auch ihre Meinung zu äußern. Und jetzt«, er erhob sich, »erlauben Sie mir vielleicht, dem Birkhurst-Sohn und Erben meinen Segen zu geben.«
    »Ja, natürlich.« Olivia bedeutete der Aja, das Kind zu bringen.
    »Ich weiß, es ist in diesem Alter schwer zu sagen – und bei meinen Kindern konnte ich es nicht –, aber wem der beiden hübschen Eltern ähnelt der Junge?«
    »Nein, das ist nicht schwer«, murmelte sie, »mein Sohn ist das Ebenbild seines Vaters.«
    Als die Amme erschien, zog sich Olivia mit unbewegtem Gesicht an das andere Ende der Veranda zurück, um Arvind Singh mit etwas Abstand zu beobachten. Leise Laute drangen aus dem Bündel, das die Amme in den Armen hielt. Olivia wußte, ihr Sohn war wach und hatte die Augen aufgeschlagen. Sie hatte schon vorher Anweisung gegeben, ihm das Häubchen abzunehmen. Ahnungslos und lächelnd nahm der Maharadscha das Kind in seine Arme. Olivia sah, wie er plötzlich stutzte. Sein

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