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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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ja, meinen Segen haben Sie.«
    Olivia rief verzweifelt. »Aber wenn ich jetzt warte, dann ist es zu spät!«
    »Zu spät?« Er verstand nicht, was sie damit meinte, und sah sie verwirrt an. »Nun ja, dann bekommen Sie das Kind eben hier! Davon geht die Welt auch nicht unter! Ich bin zwar ein alter Griesgram ohne Manieren, aber ich habe mehr gesunde Kinder in dieser verrückten Stadt zur Welt gebracht, als ihr Memsahibs Tee getrunken habt! Wozu die ganze Aufregung? Machen Sie aus einer Mücke keinen Elefanten. Das ist nur schlecht für die Leber.« Er tat die Sache ungeduldig mit einer Handbewegung ab und erteilte Mary seine Anweisungen. Dann schickte er sie weg, um etwas aus der Küche zu holen, setzte sich und gähnte müde. »Ach, Ihr Tamasha  – das war wirklich Klasse. Millie redet von nichts anderem mehr.« Er nahm die Brille ab und polierte sie blank. »Hätte nie geglaubt, daß ein alter Fuchs wie Josh plötzlich zum Angsthasen wird. Aber vielleicht war es ganz gut so. Welche Gastgeberin wünscht sich schon einen Mord zum Diner?«
    Die Nachricht von Sir Joshuas Tod hatte sich offenbar noch nicht herumgesprochen, aber es würde nicht lange dauern. Der freundliche Arzt wollte nicht verletzend sein, aber trotzdem versetzte es Olivia einen Stich. Sie schloß die Augen und drehte das Gesicht zur Seite. »Hat die Wildwestgeschichte dieses kleine Drama ausgelöst?« fragte er.
    »Nein«, sagte Olivia niedergeschlagen. »Aber ich sehe jetzt, daß ich mich in Illusionen gewiegt habe. Ich hätte klug genug sein und wissen müssen, daß es nicht ewig so weitergehen kann.«
    »Illusionen?« Dr.Humphries hörte tagein, tagaus das Gerede seiner Patienten und achtete nicht weiter auf Olivias Worte. Mary erschien, und er wurde wieder geschäftig. Olivia überließ sich seinen Verordnungen ohne Widerspruch. Sie nahm kaum noch etwas wahr. Beim Abschied wollte Dr.Humphries ihr noch einen Rat geben: »An Ihrer Stelle würde ich Ihrer flatterhaften Cousine schreiben und sie bitten zu kommen. Wie ich höre, ist sie erst vor ein paar Tagen abgereist, und ein Bote auf einem schnellen Pferd kann sie vermutlich noch erreichen. Ich wette, Estelle würde sie bestimmt schnell wieder aufmuntern!«
    Olivia nickte nur. Aber als er gegangen war, sank sie in eine so heftige, abgrundtiefe und unkontrollierbare Verzweiflung, daß sie darin unterzugehen drohte. Sie stopfte sich das Kopfkissen in den Mund und begann zu schreien. Sie schrie, bis ihr ganzer Körper schmerzte und die trockene Kehle ihr den Dienst verweigerte.
    Und natürlich hörte wie immer niemand ihr Schreien.
    *
    Was sollte sie nur tun? Olivia wußte es nicht.
    Sie hatte keine Möglichkeiten mehr, ein so unheilvolles Schicksal zu ändern. Sie war geschwächt; die unterdrückte Trauer um ihren toten Onkel und seine letzte verzweifelte Tat überwältigten sie, und Olivia brach in Tränen aus. Sie hatte ihm vieles von dem übelgenommen, was er getan hatte. Aber jetzt nach seinem Tod wußte sie, er würde ihr fehlen. Ihr würden die vielen Stunden fehlen, die sie miteinander verbracht hatten; vielleicht würde sie immer um ihn trauern. Sie hatte sich nicht einmal von ihm verabschiedet! Aber sie unterdrückte diesen Kummer für den Augenblick und wandte sich dringenderen Fragen und den schrecklichen Ängsten zu. Raventhorne ahnte noch nichts – aber wie lange würde das so bleiben? Olivia verwünschte ihren eigensinnigen Körper, der sie wieder einmal zu einer Gefangenen machte, die jeden Augenblick den Henker erwartete, und sie vergaß darüber die Geschenke, die der Körper ihr gemacht hatte.
    Es war nicht möglich, Amos noch einmal nach Kirtinagar in Sicherheit zu bringen. Raventhorne erschien oft im Palast. Olivia vertraute zwar Kinjal und Arvind Singh, aber am Hof eines Herrschers waren Intrigen und Spitzel immer zu fürchten. Außerdem redeten die Dienstboten. Olivia würde noch mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken, wenn sie irgendwo fernab in der Provinz ein Haus mietete und mit Amos dort blieb, bis das Kind geboren war, um dann schnell die Reise nach Hawaii anzutreten. Warum, würden spitze Zungen fragen, möchte Lady Birkhurst unbedingt ihre beiden Kinder außerhalb der Stadt bekommen? Olivia fürchtete nicht den Klatsch, sondern die naheliegenden Schlußfolgerungen, die Raventhorne daraus ziehen würde. Sie konnte Amos natürlich mit Mary Ling nach Hawaii vorausschicken. Aber diese Möglichkeit zog sie nicht ernsthaft in Betracht. Es wäre eine unerträgliche Grausamkeit

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