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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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verblüffte das Paradox, aber Josh verwirrte es zutiefst. Josh begriff, daß er entsetzt darüber sein sollte, so tief gesunken zu sein, einen Mischlingsbastard in die Welt zu setzen. Aber die andere Seite des Paradoxes, seine Gefühle, sein Stolz auf den Erstgeborenen brachte ihn durcheinander und machte ihn manchmal wütend. In seinen Augen war es eine Schwäche, ein Fehler, den er sich eingestehen mußte. Und Josh verachtete sentimentale Schwächen und menschliches Versagen. An diesem Abend war er zerrissen, völlig verstört, und er empfand die eigene Widersprüchlichkeit als eine große Niederlage.«
    »Ich glaube nicht, daß Onkel Josh je daran gedacht hat, seinen Sohn anzuerkennen, oder irre ich mich?« fragte Olivia neugierig und fasziniert.
    »O nein!« antwortete Ransome wie aus der Pistole geschossen. »Nein, das stand nie zur Debatte, nie. Josh lag vor allen Dingen seine gesellschaftliche Stellung am Herzen. Sein einziges Motiv war schlicht und einfach Ehrgeiz. Gewiß, er war stolz darauf, sich über unwesentliche gesellschaftliche Normen hinwegzusetzen, aber insgeheim respektierte er sehr wohl die öffentliche Meinung. Er konnte es nicht riskieren, wegen dieser ernsten moralischen Schwäche öffentlich verurteilt zu werden. Er hatte sich mit einer Eingeborenen eingelassen! Natürlich haben Hunderte von Engländern vor und nach ihm uneheliche Kinder und auch Mischlinge gezeugt, aber für Josh wäre diese öffentliche Kritik gleichbedeutend mit geschäftlichem Selbstmord gewesen. Außerdem führte er eine glückliche und zufriedene Ehe. Er wollte sie nicht gefährden und sich noch mehr Probleme schaffen.«
    Olivia streckte die Beine und setzte sich etwas bequemer. Es war spät geworden, aber sie war nicht im geringsten müde. »Und Tante Bridget hat den Jungen in den acht Jahren nie gesehen?«
    »Vermutlich sah sie ihn hin und wieder flüchtig. Aber du weißt ja, Bridget verachtete die eingeborenen Dienstboten. Für sie waren es keine Menschen, keine Individuen, sondern nur Diebe, Betrüger und Faulpelze, die man nun einmal ertragen mußte. Selbst wenn sie den Jungen zu Gesicht bekam, dann beachtete sie ihn nicht weiter.«
    Olivia lächelte bitter und nickte. Ransome fuhr fort: »Ich glaube, ich habe dir bereits gesagt, daß der Junge die unangenehme Angewohnheit besaß, die Menschen anzustarren. Natürlich starrte er meistens Josh an. Manchmal verbarg er sich in den Büschen vor seinem Arbeitszimmer und starrte ihn stundenlang an. Hin und wieder verlor Josh die Nerven und schrie wütend auf ihn ein. Dann wieder versuchte er, freundlich zu sein, und wollte ihm Süßigkeiten schenken. Der Junge zeigte nie eine Reaktion – vielleicht war er zu unsicher, vielleicht war er von Natur aus vorsichtig und abweisend. Einmal wollte er vor Josh davonlaufen. Dabei stürzte er und schlug sich die Knie auf. Josh zog sein Taschentuch heraus, säuberte die Wunde und verband sie unendlich liebevoll. Er ahnte nicht, daß ich ihn beobachtete. Als er mich plötzlich entdeckte, stieß er den Jungen von sich und ging wütend weg. Es ärgerte ihn, daß ich ihn dabei überrascht hatte, wie er einer Schwäche nachgab, die er an sich verachtete. Verstehst du, er gestand sie nie ein … nie. Auch mir nicht. Vielleicht gestand er sie sich nicht einmal selbst ein.«
    »Aber als Achtjähriger wußte Raventhorne doch bestimmt, daß Onkel Josh sein Vater war.« Wie sollte so etwas einem intelligenten Kind verborgen geblieben sein?
    »Das wissen nur Gott und Raventhorne. Die Möglichkeit besteht, aber ich zweifle daran.«
    »Weshalb?« fragte Olivia. »Hat seine Mutter ihm das nicht gesagt oder vielleicht einer der Dienstboten? Einige müssen die Wahrheit doch zumindest geahnt haben.«
    Ihre Frage verunsicherte Ransome. Er schüttelte nur den Kopf und schwieg. Olivia ließ das Thema fallen. Mitternacht war schon vorüber, und die Petroleumlampen waren heruntergebrannt. Olivia erhob sich, um Salim aufzufordern, die Lampen wieder zu füllen. Sie wies ihn auch an, zwei Gläser warme Milch und einen Teller Kekse zu bringen. Dann stellte sie Ransome eine andere Frage. »Nun gut, ich sehe ein, daß Onkel Josh in den ersten Jahren gewisse väterliche Gefühle für seinen Sohn hatte, wenn er sie auch nicht zeigte. Aber woher kam dann später der unversöhnliche, bittere Haß?«
    Ransome zog heftig an dem Stumpen, hustete und klopfte sich auf die Brust. Er warf einen reuevollen Blick auf die vielen Stummel im Aschenbecher und schüttelte

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