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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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unzufrieden den Kopf. »Das mag unlogisch sein, aber schließlich ist an einem Menschen, der innerlich gespalten ist, so vieles andere auch unlogisch. Ein grundsätzlich unlösbares Problem entwickelt ständig Aspekte und Facetten, die miteinander kollidieren. In Joshs Fall nahm das solche Formen an, daß sogar Bridget begann, darunter zu leiden. Wir werden nie mehr erfahren, ob sie mißtrauisch wurde und Verdacht schöpfte. Aber an jenem Abend, als sie dem Jungen unvermutet im Anrichtezimmer gegenüberstand, wußte sie es plötzlich – vielleicht, weil sie innerlich bereits auf diese Erkenntnis vorbereitet war. Für sie war es ein vernichtender Schlag. Das Ausmaß der Katastrophe wuchs, als sie Josh ansah, der die Peitsche zum Schlag erhoben hatte und es nicht über sich brachte, noch einmal zuzuschlagen.«
    Glaubst du, ich werde je vergessen, was ich damals gesehen habe?
    Olivia hörte wieder klar und deutlich Lady Bridgets verzweifelten Schrei. Jetzt ahnte sie den Zusammenhang, aber sie wartete darauf, daß Ransome es aussprach.
    Er hatte seinen Selbsttadel bereits wieder vergessen, nahm sich einen neuen Stumpen und zündete ihn an. »Josh konnte seinen Sohn nicht totschlagen. Er stand wie gelähmt da und starrte den kleinen Jungen an. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber Bridget hatte genug gesehen. Joshs Gefühle für dieses Kind standen ihm flüchtig, aber deutlich und klar ins Gesicht geschrieben.« Ransome schloß die Augen und seufzte. »An diesem Abend wurde so viel zerstört, Olivia – so viel! Wenn Jais Geburt im Haus seines Vaters unser aller Schicksal veränderte, dann wurde an jenem Abend im Anrichtezimmer das Unheil besiegelt. Bridget hätte Josh im Laufe der Zeit die Untreue bestimmt verziehen, auch das gesellschaftliche Vergehen, sich mit einer Einheimischen eingelassen zu haben, selbst die Schande eines Mischlingsbastards und sogar die Kühnheit, Mutter und Kind ohne ihr Wissen in ihrem Haus aufzunehmen. Aber sie konnte ihm nie das stumme, unbeherrschte Eingeständnis verzeihen, für ein uneheliches, in Sünde geborenes Mischlingskind Gefühle zu haben. Denn für sie als fromme und moralisch untadelige Frau war das ein verwerfliches und schamloses Geständnis. Sie war eifersüchtig, verbittert, desillusioniert und untröstlich. Josh hatte sie betrogen, das heilige Ehegelübde verraten und besudelt; unter diesem Gefühl brach sie zusammen und lag viele Monate lang im Bett. Bridget lebte von da an immer in Angst. Und Josh hatte ihr gegenüber immer Schuldgefühle, weil er sie betrogen und getäuscht hatte. Erst viele Jahre später sollte Raventhorne in ihrem Leben wieder auftauchen. Damals ahnte Bridget das gnädigerweise nicht, aber seine mögliche Rückkehr blieb ihr ständiges Trauma.« Ransome griff nach dem Glas mit der inzwischen bereits kalten Milch, das Salim schweigend gebracht hatte, und trank gierig und geräuschvoll, als müsse er einen unstillbaren Durst löschen.
    »Bridget fürchtete, nach Raventhornes Rückkehr würde seine Anwesenheit die Gefühle ihres Mannes für ihn wieder wecken. Und Josh mochte in seiner Unberechenbarkeit seinen Sohn öffentlich anerkennen, oder Jai werde aus reiner Bosheit und Rachsucht die Wahrheit aussprechen. Bridget war immer eine sehr stolze Frau. Sie trug ihr Kreuz mit Würde, aber für sie hörte das Leiden nicht mehr auf. Und schließlich kam Raventhorne zurück.« Ransomes Stimme klang plötzlich tonlos. »Alles andere weißt du. Ich muß es wohl kaum wiederholen. Ich weiß jetzt nur das eine –, wie die Wahrheit auch aussehen, wie unschuldig Estelle auch sein mag, Bridget wird ihre Tochter nie wiedersehen wollen. Wird sie Josh nach seinem Tod verzeihen? Ich weiß es nicht.« Er schüttelte gequält den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihr natürlich geschrieben. Vermutlich wird sie nicht antworten. Wenn sie trauert, dann trauert sie im stillen. Wenn nicht, dann hat sie das Recht dazu, das man ihr nicht absprechen kann. Josh hat sie um ihr rechtmäßiges Leben betrogen. Er hat die Folge der Ereignisse in Gang gesetzt, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Seine Besessenheit, sein Haß haben dazu geführt, daß in Bridgets reiner Welt das schreckliche Wort Inzest auftauchte. Sie hätte sich nie erlaubt, dieses Wort zu denken, ganz zu schweigen davon, es über die Lippen zu bringen. Jai hat seinen Schwur erfüllt, Josh alles zu nehmen, auch die andere Familie. Oh! Habe ich dir das erzählt, oder habe ich es verschwiegen?« Er

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