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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Kopf, »… manchmal bin ich überzeugt, daß Jai Raventhorne völlig … verrückt ist.«
    Olivia erinnerte sich, daß Arthur Ransome einen Schritt weiter gegangen war und ihn einen tollwütigen Hund genannt hatte. »Verrückt?«
    »In manchen Dingen, ja. Andererseits muß man einräumen, daß jeder Mann ein Recht auf seine fixen Ideen hat. Jai Raventhorne auch.« Sie waren am Ausgangspunkt ihres kleinen Spaziergangs angekommen. Der Maharadscha rückte für Olivia einen Sessel zurecht und setzte sich dann ihr gegenüber. »Sagen Sie mir, Miss O’Rourke, weshalb interessiert dieser Mann Sie so sehr?«
    Olivia spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Der Maharadscha hatte sich durch die gespielte Gleichgültigkeit nicht täuschen lassen. Plötzlich wurde ihr Mund merkwürdig trocken. Aber sie erwiderte den forschenden Blick ruhig und beherrscht. »Nur deshalb, weil auch mir Euer Freund bei einer kurzen Begegnung … ungewöhnlich zu sein schien. Ich habe nicht viele Männer wie Mr.Raventhorne kennengelernt.«
    »Nicht viele?« Der Maharadscha lächelte. »Es würde mich überraschen, wenn Sie außer ihm noch einen kennengelernt hätten.«
    Es lag weniger an den Worten als an dem Ton, daß Olivia vermutete, das Thema Jai Raventhorne sei wieder einmal beendet. Die vielen, vielen neuen Fragen, die ihr mit noch größerer Ungeduld durch den Kopf gingen, mußten ungestellt und unbeantwortet bleiben. Die Unterhaltung bewegte sich wieder auf neutralem Boden. Sie sprachen über Kirtinagar, über Amerika und Indien, über alles mögliche. Olivia erkannte den Maharadscha als einen aufgeklärten, gut unterrichteten und aufgeschlossenen Mann, mit dem man sich angeregt unterhalten konnte.
    Abgesehen von dem Thema Jai Raventhorne vermied Olivia auch, über das Kohlebergwerk zu sprechen. Wie der rätselhafte Freund des Maharadschas lag das Thema Kohle außerhalb ihres Vorstellungsvermögens.
    »Hat sich Olivia Eurer Hoheit angenommen, wie es sich gehört?« erkundigte sich Sir Joshua, als er schließlich, immer noch bester Laune, wieder zu ihnen kam. »Olivia hat einen klaren Verstand, wie Eure Hoheit sicher bemerkt haben werden. Und wie viele ihrer Landsleute nennt sie die Dinge immer beim richtigen Namen!«
    »So ist es. Ich bin entzückt von dieser erfrischenden Offenheit«, stimmte der Maharadscha ihm zu. »Ich habe unsere kurze Unterhaltung sehr genossen.«
    Olivia errötete. »Ich hoffe, die Offenheit war nicht zu erfrischend. Ich habe mich noch nie zuvor in fürstlicher Gesellschaft befunden, und deshalb ist meine Kenntnis des angemessenen Protokolls beklagenswert dürftig.«
    Der Maharadscha verzog das Gesicht und hob eine Augenbraue.
    »Sie haben keine Vorstellung, Miss O’Rourke, wie lästig das Protokoll hin und wieder ist. Glauben Sie mir, Ihre ›beklagenswert dürftige Kenntnis‹ wirkt gerade deshalb erholsam wie frische Luft.« Er verneigte sich. »Ich danke Ihnen für ein höchst unterhaltsames Intermezzo. Ich habe viel gelernt. Vielleicht geben Sie eines Tages der Maharani und mir die Ehre, und wir dürfen Ihnen unsere bescheidene Gastfreundschaft in Kirtinagar anbieten.« Er wandte sich an Sir Joshua. »Und natürlich Ihnen, Lady Bridget und der reizenden Miss Templewood.«
    Olivia beobachtete aus einiger Entfernung, wie ihr Onkel seinen hohen Gast davonführte, um ihm die Reihe der Wartenden vorzustellen, die sich unter dem Baldachin gebildet hatte. Viele kannten den Maharadscha bereits, doch die Vorstellung geschah mit einer Förmlichkeit, die durch den traditionellen Sinn für das Zermoniell beeindruckend wirkte.
    Mochte Sir Joshua mit seiner überschwenglichen Gefälligkeit noch so guter Laune sein, Olivia sah selbst aus der Ferne, daß Arthur Ransome dieses Hochgefühl nicht teilte. Er drückte ernst die Hand des fürstlichen Gastes. Ransome wirkte sogar besorgt. Offensichtlich gab es an diesem Abend auch verborgene und womöglich gefährliche Strömungen. Olivia hatte selbst mit einer der trügerischsten zu kämpfen. Weshalb hatte der Maharadscha das Thema Jai Raventhorne bei ihr überhaupt zur Sprache gebracht? Was mochte er in ihrem Gesicht gesehen haben, das ihn dazu brachte, sich nach der Ursache ihres Interesses zu erkundigen? Als Olivia jetzt an ihre Unterhaltung dachte, überkam sie ein Gefühl der Unruhe. Alles schien ihr unwirklich, denn das Gespräch kreiste bewußt oder unbewußt um einen Mann, den Olivia nur ein einziges Mal getroffen und dessen Gesicht sie nicht einmal gesehen hatte.

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