Wer Liebe verspricht
paar andere wichtige Kaufleute sich mit ihm in den Salon zurückgezogen. Ein Strom von Dienern versorgte die Herren mit dem besten Brandy, Port, Whisky und Zigarren.
»Die Kohle ist für Onkel Josh wichtig«, erklärte Olivia ihrer Tante.
»Er ebnet den Weg für weitere Verhandlungen, das ist alles.«
Auf Lady Bridgets Gesicht lag ein seltsamer, nicht zu deutender Ausdruck, als sie sich langsam ihrer Nichte zuwandte und sie ansah.
»Josh wird diese Kohle nie bekommen, Olivia, nie! Wenn er glaubt, daß er mit seinem albernen Benehmen und seiner Speichelleckerei etwas erreicht, dann ist er ein größerer Narr, als der, für den der Maharadscha ihn halten muß!«
Olivia wunderte sich über das geringe, ja sogar widerwillige Interesse ihrer Tante an dem Unternehmen ihres Mannes. Sie sprach so selten über Sir Joshuas geschäftliche Angelegenheiten, daß Olivia sich allmählich fragte, ob Lady Bridget überhaupt wußte, was er tat. Aus der kategorischen Feststellung ihrer Tante schien jedoch sehr viel mehr Kenntnis und Wissen zu sprechen, als Olivia je vermutet hätte. Sie starrte ihre Tante verblüfft an. Lady Bridgets Augen glitzerten wie eisblaue Glassplitter, aber ihre Stimme bebte vor Leidenschaft, und sie hatte die Hände zu Fäusten geballt.
»Ein großartiges Gelage, Bridget, weiß Gott! Ich schwöre, so etwas habe ich in Dakka noch nie erlebt!« Ein großspuriger Jutefabrikant mit einer roten Nase, der herumstolzierte, als sei er sein Leben lang beim Militär gewesen, näherte sich ihnen. Dabei schwenkte er sein Glas, dessen Inhalt in alle Richtungen und auch auf das Kleid von Lady Bridget schwappte. »Ich muß sagen, so gut habe ich mich seit Jahren nicht mehr amüsiert!«
»Das freut mich, Tim.« Lady Bridget wischte sich sorgfältig mit einer Serviette das Kleid ab, lächelte aber trotzdem liebenswürdig. Der harte, leidenschaftliche Ausdruck war wie durch Zauberei im Handumdrehen verschwunden. »Sie müssen einmal kommen, wenn wir allein sind und uns von Ihrem Heimaturlaub berichten.«
Die allgemeine Stimmung wurde immer ausgelassener. Man tanzte bis in die frühen Morgenstunden. Erst dann verringerte sich die Zahl der Gäste merklich. Es blieben nur noch die Gruppe der Jüngeren und einige unermüdliche ältere Nachtschwärmer. Olivia hatte kaum einen Tanz ausgelassen, und ihre Fußsohlen brannten wie Feuer in den ungewohnten Goldsandaletten. Aber es kam nicht in Frage, daß sie zu Bett ging, solange die jungen Leute noch blieben. Estelle würde es ihr nie verzeihen, wenn sie nicht bis zum bitteren Ende durchhielt. Schließlich wurde den wenigen Gästen, die standhaft bis zum Morgengrauen feierten, ein herzhaftes Frühstück mit Eiern und Schinken serviert. Sir Joshua und Lady Bridget hatten sich schon lange zurückgezogen. Halb tot vor Müdigkeit und Erschöpfung schleppte sich Olivia nach oben, während die ersten Streifen Tageslicht den östlichen Horizont färbten. Sie schlief, noch ehe ihr Kopf auf dem Kissen lag.
Ihr Schlaf war jedoch unruhig, und sie hatte seltsam bedrohliche Träume. Zwei schwarze Mastiff-Hunde mit kalten Silberfischaugen hatten die Zähne in Olivias Körper geschlagen. Olivia lag am Fluß, und die Hunde zerrten sie über den Uferdamm. Trotzdem konnte sie weder die weitere Umgebung erkennen noch erraten, in welche Richtung sie gezogen wurde. Olivia wußte nur, daß sie von einer magnetischen Kraft mitgerissen wurde und es nicht mehr in ihrer Macht lag, sich ihr zu widersetzen.
Drittes Kapitel
Es war Sonntag.
Auf dem Maidan, dem großen, parkähnlichen Gelände, das sich mitten durch die Stadt der Weißen zog und als die ›grüne Lunge‹ galt, waren frühmorgens die üblichen Spaziergänger unterwegs, andere absolvierten Dauerläufe oder bewegten für ein oder zwei Stunden ihre Pferde. Es war in der Stadt die angenehmste Zeit des Tages. Wasserträger liefen mit rhythmischen Schritten vorüber, zu denen sie ihre gleichmäßig verteilte Last zwang. Palankinträger trugen ihre Kunden mit geometrisch genau abgemessenen Bewegungen durch die frische Morgenluft, und ein Mann, dem ein vorwitziger Affe auf der Schulter saß, lockte mit einer kleinen Trommel Zuschauer zu den Kunststücken des dressierten Tieres. Über die Chowringhee Road, die Hauptverkehrsstraße der Stadt, rollten langsam und quietschend Ochsenkarren auf ihrem Weg zu den Märkten. Sie waren mit frischem Obst und Gemüse beladen. Auch ein oder zwei Kutschen, in denen Europäer saßen, fuhren unter dem Geklapper
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