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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Gute Mütter sind nie mager und ausgehungert wie Shakespeares Cassius. Im Gesäß liegt das ganze Geheimnis. Hier!« Lady Birkhurst klopfte auf ihren dicken Hintern, und Olivia schloß die Augen. »Sagen Sie, hat die Tigerjagd Ihre Erwartungen erfüllt?«
    Olivia riß die Augen erschrocken wieder auf. Sie wußte also über das Wochenende Bescheid.
    Lady Birkhurst nahm sich eine Traube und schob sie genußvoll zwischen die Zähne. »Ich kann mich noch an meine erste Jagd im Dschungel erinnern. Das war zweiundzwanzig. Wir haben von dem albernen Tiger nicht einmal die Schwanzspitze zu sehen bekommen. Aber ein junger Kavallerieoffizier verlor die Nerven und schoß einem Shikari ins Knie. Sie können sich nicht vorstellen, was für ein Theater das nach sich zog. Der arme Mann wurde vor ein Kriegsgericht gestellt. Er mußte dem Jäger eine Entschädigung zahlen, und dann wurde er auf einen abgelegenen Posten in einem Sumpfgebiet versetzt, wo es von Krokodilen wimmelte. Seine Verlobung ging auch in die Brüche, denn die junge Frau wollte unter keinen Umständen mit in den Sumpf. Das nennt man wahre Liebe.« Sie lachte spöttisch und nahm sich die nächste Traube.
    Olivia schluckte. Sie war inzwischen flammend rot und fand keine Worte.
    Lady Birkhurst zwinkerte ihr zu. »Keine Sorge, Miss O’Rourke. Hin und wieder greifen wir alle zu Notlügen. Ich kann Ihnen versichern, das ist nichts Besonderes. An Ihrer Stelle hätte ich mich auch für die Jagd entschieden, anstelle eines langweiligen Mittagessens im Tolly Club mit all den aufgeblasenen Hohlköpfen, die doch nur dummes Zeug reden und von Polo keine Ahnung haben.«
    Olivia atmete erleichtert auf und sagte: »Die Jagd hat mir sehr gefallen, Lady Birkhurst. Wir haben den Tiger erlegt. Er war sehr groß und ein Menschenfresser.«
    Lady Birkhurst nickte zustimmend und legte ihr dann die dicke, weiche Hand auf den Arm. »Es wäre mir lieb, Sie würden Ihrer Tante nicht sagen, daß ich ihre Ausrede durchschaut habe. Es würde sie nur in Verlegenheit bringen, und das möchte ich nicht. Nun ja, damit wären wir bei meiner nächsten Frage. Was halten Sie von Kalkutta?«
    Olivia zögerte, aber nur kurz. Tante Bridget hatte offenbar nicht zur Kenntnis genommen, was sie zum Thema Freddie gesagt hatte. Aber sie würde jetzt dafür sorgen, daß sich Lady Birkhurst keine falschen Vorstellungen machte. »Ich möchte offen sein, Lady Birkhurst. Es gefällt mir nicht besonders, obwohl ich durchaus sehe, daß Indien ein faszinierendes Land ist.«
    »Gewiß! Darf ich fragen, was Sie gegen Kalkutta einzuwenden haben?«
    »In erster Linie finde ich die Gesellschaft hier sehr überheblich, oberflächlich und langweilig – ganz besonders die Damen. Ich bin diese Art Snobismus und Engstirnigkeit nicht gewohnt. Das heißt natürlich nicht, daß meine Tante und mein Onkel nicht äußerst liebenswürdig und großzügig wären«, fügte sie rasch hinzu. »Ich werde hier in jeder Hinsicht verwöhnt. Aber es fällt mir schwer, mich an dieses künstliche Leben anzupassen, das von der Wirklichkeit darumherum so weit entfernt ist.« Es überraschte Olivia, daß sie so ungezwungen und offen mit einer Engländerin sprechen konnte, die sie erst vor zwei Stunden kennengelernt hatte. Aber sie wußte, wenn sie jetzt nicht alles sagte, würde sich möglicherweise keine Gelegenheit mehr bieten.
    »Tatsächlich!« Lady Birkhurst musterte Olivia aufmerksam, die mit geröteten Wangen trotzig vor ihr saß. »Wie ich sehe, haben Sie eine eigene Meinung!«
    »Es tut mir leid, wenn ich so geradeheraus geantwortet habe, Lady Birkhurst, aber in Amerika sind wir nun einmal so. Ich wollte Sie nicht beleidigen, ich möchte nur Ihre Fragen aufrichtig beantworten.«
    Unerwartet lachte Lady Birkhurst. Es klang seltsam, beinahe wie in Gackern, und ihre Hängebacken zitterten wie Wackelpudding.
    »Meine Liebe, das spricht für Sie! Mir gefallen mutige Frauen, die die Dinge beim Namen nennen. Unter anderem spart das Zeit. Ich bin sicher, wir werden gut miteinander auskommen.« Sie winkte mit einer gebieterischen Geste dem livrierten Diener und bedeutete ihm, daß sie jetzt genug gegessen hatte.
    Als sie behutsam die Finger in die Schale mit warmem Wasser tauchte, die der Diener vor sie stellte, betrachtete Olivia ihre Gastgeberin zum ersten Mal mit Interesse. Sie mußte sich eingestehen, die exzentrische Lady Birkhurst war anders als alles, was sie bisher in Kalkuttas gesellschaftlichen Kreisen erlebt hatte. Diese gefürchtete

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